Verspätungen:Irgendwas ist immer

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Der Streckenagent meldet jeden Tag zahlreiche Störungen, von denen alle Linien betroffen sind. Die Bahn arbeitet an Gegenmaßnahmen

Von Andreas Schubert, München

Personen im Gleis, Notarzteinsatz, Signal-, Weichen- oder sonstige Störung: Wer den Streckenagenten, die Störungsinfo der S-Bahn, für alle Linien abonniert, hat sein E-Mail-Postfach schnell voll. Ein Dutzend Meldungen am Tag sind es fast immer, oft auch mehr. Und betroffen sind alle Linien.

Das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern. Und wenn, sofern nichts dazwischenkommt, die zweite Stammstrecke im Jahr 2026 in Betrieb geht, ist das noch lange keine Garantie, dass der Betrieb dann reibungslos abläuft. Immerhin tut die S-Bahn schon heute einiges, um zumindest im normalen Betrieb den Verkehr auf der überlasteten alten Stammstrecke aufrecht zu erhalten. Das ist beileibe nicht einfach, und so geht es bei manchen Änderungen um Sekunden, die sich im Laufe eines Tages aber summieren sollen. Vor einem Jahr wurden zum Beispiel automatisch öffnende Türen an den Zügen eingeführt, was am Tag bis zu 20 Minuten Zeitersparnis auf der Strammstrecke bringen soll. Im kommenden Jahr werden die Züge umgestaltet, unter anderem mit weniger Sitzen und breiteren Einstiegszonen hinter den Türen. Beide Maßnahmen sollen das Ein- und Aussteigen beschleunigen. Was nach Angaben der Bahn bereits jetzt Wirkung zeigt, ist die Einzäunung der Stammstrecke zwischen der Hackerbrücke und Nymphenburg. Auf diesem Abschnitt sei die Häufigkeit der Störungsursache "Personen im Gleis" bereits massiv gesunken.

Ob es auf bestimmten Strecken bestimmte sich wiederholende Störungen gibt, lässt sich pauschal nicht beantworten. Dazu gibt die Bahn keine Details heraus. Nur so viel: Das 430 Kilometer lange Streckennetz mit seinen 150 Stationen sei für solche Aussagen viel zu komplex. Auf 140 Kilometern Streckenlänge - dazu gehört zum Beispiel die Strecke der S 1 - sei die S-Bahn im Mischverkehr unterwegs, mit der Folge, dass sich dort Verspätungen und Störungen anderer Züge auf die Pünktlichkeit der S-Bahn auswirken. Und: Auf insgesamt 100 Kilometern Länge sei das S-Bahnnetz nur eingleisig - auch auf diesen Strecken könnten Verspätungen und Störungen nicht ohne Weiteres abgebaut werden, da hier Züge teilweise aufeinander an Bahnhöfen warten müssten. Dazu komme eben noch, dass die S-Bahn einst für 240 000 Reisende am Tag konzipiert wurde und heute von 840 000 Fahrgästen an einem durchschnittlichen Werktag genutzt wird. Sie stößt also längst an ihren Kapazitätsgrenzen. "Wenn es nur bei einem Promille der Reisenden an einem Tag zu akuten gesundheitlichen Problemen kommt, bedeutet das acht bis neun Notarzteinsätze im Zug", rechnet etwa ein Bahnsprecher vor.

Wer sich die täglichen Streckenagenten-Meldungen, etwa vom November, so anschaut, erkennt als Laie in der Tat kein Muster. Auch das Wetter spielt bei Störungen natürlich eine gewaltige Rolle, man denke nur - wie beim jüngsten Wintereinbruch - an die typischen Weichenstörungen, die von herabfallenden Eisklumpen verursacht wurden.

Die S-Bahn München erarbeite derzeit ein dickes Maßnahmenbündel, "um Pünktlichkeit und Qualität an den verschiedenen Stellschrauben zu verbessern", so der Sprecher. Dieses Zukunftsprogramm erstrecke sich auf die Vermeidung von Störungsursachen, aber auch auf eine verbesserte Kommunikation, wenn es Pannen gibt. Man werde darüber Anfang 2018 im Detail berichten, gemeinsam mit der Bahntochter DB Netz und den Bahnhöfen werde dieses Programm gestaltet. Noch allerdings seien Abstimmungen nötig.

Angesichts der ständigen Ausfälle wundern sich Fahrgäste über den hohen Pünktlichkeitswert der S-Bahn im Gesamtnetz. Der lag vergangenes Jahr bei 96,4 Prozent - ein zuletzt vor elf Jahren erreichtes Ergebnis. Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert dies als Jubelstatistik, weil bestimmte Faktoren nicht darin eingerechnet werden, etwa wenn Züge komplett ausfallen oder Verstärkerzüge vorzeitig am Haupt- und Ostbahnhof oder in Pasing wenden müssen. Die Bahn freilich beteuert, dass interne Messungen das gute Ergebnis bestätigten. Der Streckenagent spricht eine andere Sprache.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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