Verkehrspolitik:"Es gibt kein Patentrezept"

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Alexander Kreipl vom ADAC hält nichts von der City-Maut, um Abgasprobleme zu lösen

Interview von Marco Völklein

Forscher der Bundeswehr-Universität in Neubiberg entwickeln ein Simulationsmodell, wie sich eine City-Maut auf München auswirken würde. Vertreter der Münchner Wirtschaft wie auch der großen Parteien haben klar gemacht, dass sie davon nichts halten. Warum auch der ADAC Südbayern dagegen ist, erklärt Alexander Kreipl.

SZ: Herr Kreipl, was halten Sie von einer City-Maut für München?

Alexander Kreipl: Wir sehen das sehr skeptisch. Viele Menschen mit niedrigem Einkommen sind auf das Auto angewiesen, diese wird eine City-Maut sehr stark belasten. Außerdem stört mich die isolierte Betrachtung, bei der diese eine Maßnahme in den Mittelpunkt gestellt wird, ohne wirkliche Alternativen zu bieten. In Stuttgart zum Beispiel wurde der Feinstaubalarm ausgerufen, ohne dass für die Pendler funktionierende Mobilitätsalternativen zur Verfügung gestanden hätten. Man darf nicht vergessen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel durch das hohe Pendleraufkommen heute schon völlig überfüllt sind.

Die Befürworter entgegnen: Mit den zusätzlichen Einnahmen aus der City-Maut könnte die Stadt das Angebot an Bahnen und Bussen ausweiten - also genau dieses Problem entschärfen.

Fraglich ist doch , ob diese Zweckbindung der Mittel tatsächlich stattfindet. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dies bei ähnlichen Maßnahmen fast nie der Fall war. Außerdem ist die zeitliche Abfolge falsch: Zunächst müsste man den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, dann könnte man an eine Maut denken. Ich glaube, es geht hier vor allem darum, zusätzliche Mittel zu generieren. Um mehr nicht.

Aber wie soll die Stadt dann Ihrer Meinung nach die Probleme bei der Luftreinhaltung oder beim Lärm lösen?

Es gibt da kein Patentrezept, das ist doch mittlerweile jedem klar. Die Stadt ist da in einer Zwickmühle: Sie soll die Grenzwerte einhalten, zugleich aber auch das Leben, auch das wirtschaftliche Leben, am Laufen halten. Es gibt auch keine schnellen Lösungen. Man kann da nur langfristig dran arbeiten, zum Beispiel über bessere Abgasreinigung. Und man muss sich stärker um alternative Antriebe bemühen, etwa Autos mit Erdgas- und Biogasantrieb fördern.

Die Stadt legt gerade ein 22-Millionen-Euro-Förderprogramm für E-Autos auf. Von Gas-Autos redet kein Mensch mehr.

Und das kann ich absolut nicht nachvollziehen. Die Förderung von E-Autos ist richtig und wichtig, aber im Gegensatz zur Elektromobilität, wo noch viele Fragen offen sind, sind Erdgas-Fahrzeuge schon sehr viel weiter. Die haben sich in der Praxis bewährt. Und sie bringen bei der Luftreinhaltung eine Menge: Feinstaub geht gegen Null, ebenso die Stickoxide. Die Stadtwerke unterhalten acht Gas-Tankstellen in München und am Flughafen, an denen zu 100 Prozent Biogas getankt werden kann. Aber wird dafür Werbung gemacht? Wird das irgendwie gefördert?

Die Stadt sollte lieber Gas-Autos fördern als Elektro-Fahrzeuge?

Ich möchte die beiden Antriebsarten nicht gegeneinander ausspielen. Aber ja, wir haben eine Aufnahme von Erdgas-Autos in das Programm angeregt, nur dann nichts mehr gehört. Anscheinend ist es derzeit angesagt, E-Autos zu fördern. Da findet ein regelrechter Hype statt. In Augsburg fahren sämtliche städtischen Linienbusse mit Erdgas, in München fast nur mit Diesel.

Wie bewerten Sie die Verkehrspolitik von CSU und SPD im Rathaus? Kritiker sagen, die Stadtverwaltung sei auto-freundlicher unterwegs als früher.

Das habe ich bislang nicht so wahrgenommen. Vielmehr sehe ich, zum Beispiel in der Rosenheimer Straße, das Bemühen der Stadtpolitik, alle Interessen irgendwie unter einen Hut zu bringen. Bisher wurde doch öfter mal vergessen, dass viele Münchner auf ihr Auto angewiesen sind.

Nennen Sie mal ein Beispiel.

In der Kapuzinerstraße etwa wurde ein künstlicher Pfropfen für den Autoverkehr geschaffen, den es nicht gebraucht hätte. Ähnlich am Harras, bei dem durch den Umbau für einige Nutzer Verbesserungen entstanden sind, der aber für den Autofahrer zu einem Engpass geworden ist.

Im Jahr 1996 hatte der ADAC beim Bürgerbegehren vehement für die drei Tunnel am Mittleren Ring geworben. Mal angenommen, bei den geplanten Tunneln käme es erneut zu einem Bürgerentscheid - was würde der ADAC tun?

Wir würden zunächst mal unseren fachlichen Beitrag liefern. Und da kann man schon sagen, dass zum Schutz der Anwohner der Tunnel an der Landshuter Allee dringend nötig ist. Sollte es aber darum gehen, sich an einem Pro-Tunnel-Bündnis zu beteiligen, würden wir wohl zunächst unsere Mitglieder dazu befragen.

Das gab es 1996 noch nicht.

Stimmt. Aber im Zuge des Reformprozesses haben wir definiert, dass wir bei verkehrspolitischen Grundsatzfragen künftig zunächst die Meinung der Mitglieder einholen wollen, bevor wir uns positionieren. So hätten wir auch eine klare Legitimation.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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