Verkehrsplanung:Smarte Taxis

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Gebhard Wulfhorst entwickelt Ideen für die Stadt der Zukunft

Von Martina Scherf

Wenn Gebhard Wulfhorst aus seinem Bürofenster in der Technischen Universität München blickt, sieht er neuerdings die fahrradfreundliche Theresienstraße. Vor Kurzem wurde dort den Autofahrern eine Spur genommen und den Radlern zur Verfügung gestellt. Corona hat es möglich gemacht. Überhaupt ist in diesem Sommer in München einiges in Bewegung gekommen. Schankflächen auf Parkplätzen, Popup-Bikelines, Sommerstraßen. Wer hätte das noch vor einem Jahr gedacht? "Es zeigt, was machbar ist", sagt der Professor mit erkennbarer Freude.

Wulfhorst, 49, ist Professor für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung und einer der führenden Köpfe in einem europäischen Forschungsverbund, dem EIT Urban Mobility. Dort sollen Konzepte für die Stadt der Zukunft entwickelt werden. Denn Luftverschmutzung, verstopfte Straßen oder überfüllte U-Bahnen machen den Menschen das Leben schwer. Stadtverwaltungen von Kopenhagen bis Istanbul, Universitäten und Unternehmen wie BMW, Siemens, Eon oder Seat sind an dem Netzwerk beteiligt. Das Ganze ist ein von der EU mit 400 Millionen Euro Anschubfinanzierung ausgestattetes Unternehmen, mit Sitz in Barcelona. Wie meist in der EU geht es auch hier um Wirtschaftsförderung. Wulfhorst betont aber, es komme darauf an, die Interessen von Wirtschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit in Einklang zu bringen.

Von Amsterdam könne man Bürgerbeteiligung lernen. Kopenhagen ist die Fahrradstadt. In Mailand wird gerade die Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs vorangetrieben. Und Istanbul baut sein Sammeltaxi-System "on demand" aus. Technologische Lösungen allein reichen nicht, sagt Wulfhorst, es braucht eine kluge Stadtplanung. "Auch ein Start-up wie der Scooter-Verleih überlebt nur, wenn es von der Stadt reguliert und in ein Gesamtkonzept integriert wird." Städte und Regionen müssten viel enger zusammenarbeiten. In Paris würden Modelle für eine "15-Minuten-Stadt" entwickelt: Alles, was der Mensch zum Leben braucht, kann er in einer Viertelstunde zu Fuß erreichen.

Zuletzt trafen sich die Vertreter des Netzwerks im März im Stadion von Eindhoven in den Niederlanden. Seither wurde viel online kommuniziert, doch der Münchner Professor hofft, bald wieder Kollegen in anderen Städten zu treffen. "Das ist genauso so wichtig wie Geld oder gute Exposés." In der Krise sieht er aber auch eine Chance. Wie Städte sich in diesem Sommer verwandelten, zugunsten von Mensch und Klima, "das lässt mich hoffen".

© SZ vom 12.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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