Verkehrsdaten ausgewertet:Drei Tage nur im Stau

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Der Mittlere Ring ist laut einer Studie diejenige Straße in Deutschland, auf der man am langsamsten vorankommt. Im vergangenen Jahr hat ein Pendler dort, je nach Streckenabschnitt, bis zu 68 Stunden wartend verbracht

Von Marco Völklein

Wo stehen Deutschlands Autofahrer am häufigsten im Stau? Regelmäßig spüren die Hersteller von Navigationsgeräten und Orientierungs-Apps dieser Frage nach. So hat der US-amerikanische Verkehrsdatenanbieter Inrix am Montag eine Studie veröffentlicht, wonach der Mittlere Ring die Strecke in Deutschland mit den meisten Staus ist. Demnach verschwendeten die Pendler im vergangenen Jahr 68 Stunden auf dem 26 Kilometer langen Stück zwischen BMW-Welt und Ifflandstraße - wobei diese Messung auf dem Mittleren Ring gegen den Uhrzeigersinn erfolgt ist.

Ein kundiger Autofahrer würde den Weg auf dem Ring normalerweise im Uhrzeigersinn absolvieren und so nur gute fünf Kilometer auf ihm fahren. Aber auch auf diesem kurzen Stück steht er oft: Denn als Deutschlands zweitschlimmste Staustrecke haben die Inrix-Computer den 14 Kilometer langen Abschnitt zwischen Donnersbergerbrücke und Berg am Laim ausgemacht (im Uhrzeigersinn). Dort vergeudeten die Autofahrer 56 Stunden im Stau oder zäh fließenden Verkehr.

Insgesamt aber schneidet München nicht ganz so schlecht ab, wie der Blick auf die Ring-Zahlen suggeriert: Nach der Studie verbringen die Kölner mit insgesamt 65 Stunden pro Jahr die meiste Zeit in der Blechlawine, gefolgt von Stuttgart (64 Stunden), Karlsruhe (63 Stunden) und Düsseldorf (53 Stunden). München teilt sich mit Hamburg (je 48 Stunden Stau pro Jahr) den fünften Platz. In Europa liegt übrigens London mit 96 Stunden an der Spitze.

Bereits Ende März hatte der niederländische Navigationsgerätehersteller Tomtom eine ähnliche Studie präsentiert - wobei die Holländer nicht mit absoluten Stunden operieren, sondern mit Prozentwerten. So haben Münchens Autofahrer im vergangenen Jahr im Schnitt während der staureichen Hauptverkehrszeiten 27 Prozent länger gebraucht, um an ihr Ziel zu kommen, verglichen mit Zeiten, in denen der Verkehr frei fließen kann. Im Jahr 2013 lag der "Stau-Index" von Tomtom noch bei 26 Prozent, im Jahr 2012 nur bei 24 Prozent. "Über die Jahre zeigt sich eine zwar leichte, aber dennoch stetige Verschlechterung der Verkehrssituation", sagt Tomtom-Manager Tom Henkel. Diese Einschätzung bestätigen nun auch die Inrix-Zahlen: Demnach standen die Münchner im Jahr 2014 etwa vier Stunden mehr im Stau als noch im Jahr 2013.

Um solche Daten zu ermitteln, gehen die Firmen stets ähnlich vor: Tomtom wie Inrix fragen über ihre Navigationsgeräte und Smartphone-Apps regelmäßig anonymisierte Daten über die Verkehrslage auf den Straßen ab. Die Kunden müssen dazu laut Tomtom ihre Genehmigung erteilen; wer dies verweigert, wird angeblich nicht erfasst. So kommen Millionen von Daten zusammen, aus denen die Firmen herauslesen können, wie oft und wo genau die Autos schleppend oder gar nicht vorankommen - im Vergleich zu dem Tempo, welches auf dem jeweiligen Abschnitt bei normalem Verkehr erlaubt ist. Daraus ergibt sich die prozentuale Verzögerung bei Tomtom beziehungsweise die Zahl der "verschwendeten Stunden" pro Jahr bei Inrix.

In der Kommunalpolitik entfachen die Stau-Studien oft hitzige Debatten. Kaum ein Rathaus-Chef steht gerne einer "Stau-Hauptstadt" vor. Auch im Münchner Stadtrat streiten die Parteien über die Grundsatzfrage: Wie lässt sich der Stau auflösen? CSU und SPD verfolgen eine Art Doppelstrategie: Sie wollen die U-Bahn ausbauen und mit neuen Tunneln den Verkehr auf dem Mittleren Ring beschleunigen. Grüne, ÖDP und Linke warnen dagegen vor einem "Tunnelbauwahn" und plädieren dafür, den Nahverkehr radikal auszubauen, die Parkgebühren anzuheben und das Radfahren zu fördern. Voraussichtlich im Oktober oder November wird die Grundsatzdebatte erneut anstehen: Dann soll entschieden werden, welche der drei geplanten Röhren zuerst begonnen wird - die an der Landshuter Allee, die an der Tegernseer Landstraße oder die unter dem Englischen Garten.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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