Verkehr:München will Dutzende Brücken für Radler und Fußgänger bauen

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Als Simulation existiert der Klenzesteg schon, der das Glockenbachviertel mit der Au verbinden soll. Doch im Rathaus wird noch heftig um das Projekt gestritten. (Foto: Visualisierung: Christoph Mayr Architekten)
  • Die Stadt will ihr Rad- und Fußwegenetz weiter ausbauen.
  • Dazu gehört auch die Entschärfung von Gefahrenstellen.
  • 123 Querungen hat der Münchner Stadtrat geprüft, nach Prioritäten geordnet und in einem Katalog zusammengefasst.

Von Dominik Hutter

Zum Titel "Venedig des Nordens" wird es wohl nicht reichen - selbst wenn das Geld reichen sollte, um die ellenlange Liste in einem halbwegs akzeptablen Zeitraum abzuarbeiten. Bemerkenswert ist es aber doch, wie viele Radl- und Fußgängerbrücken sich die Stadt München noch gönnen will: Allein 46 Querungen, darunter sind allerdings auch ein paar Unterführungen, haben es per Stadtratsbeschluss in die Prioritätsstufen 1 oder 1+ geschafft.

Sie sollen nun Bestandteil eines groß angelegten Brückenbauprogramms werden, das das städtische Baureferat erst noch im Detail austüfteln will. Weitere 62 Projekte gelten zumindest als wünschenswert. "Es wird viele Jahre dauern, das abzuarbeiten", erklärt SPD-Stadtrat Ingo Mittermaier. Ernst ist es dem Stadtrat mit seiner neuen Liste aber schon. CSU-Planungsexperte Walter Zöller versichert: "Das ist kein Showprogramm."

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Dennoch ist es keineswegs sicher, dass die vom Planungsreferat erstmals in einen Prioritätenkatalog aufgenommenen Brücken auch tatsächlich alle gebaut werden. Das Papier soll der Verwaltung lediglich als Grundlage für die weitere Planung dienen - wo dann tatsächlich die Bagger anrücken, entscheidet der Stadtrat im Einzelfall. Beim Klenzesteg etwa, einem Lieblingsprojekt der Münchner Grünen, dessen Kosten auf rund fünf Millionen Euro geschätzt werden. Für diese neue Verbindung, die zwischen Reichenbach- und Wittelsbacherbrücke die Isar überspannen soll, liegen bereits erste Stadtratsbeschlüsse und sogar das Ergebnis eines Realisierungswettbewerbs vor.

Das reicht für die höchste Dringlichkeitsstufe, Priorität 1+. In dieser Kategorie taucht alles auf, was wegen eine Stadtratsbeschlusses oder fortgeschrittener Planung als sehr realistisch und zeitnah umsetzbar erscheint. Ob diese Einschätzung stimmt, erweist sich allerdings oft erst später. Wie beim Arnulfsteg, der eigentlich schon im Bau sein sollte, sich nun aber wegen technischer Probleme auf unbestimmte Zeit verzögert.

Auch der Klenzesteg ist noch nicht in trockenen Tüchern. Die Rathaus-CSU versucht seit Jahren, den noch aus rot-grüner Zeit stammenden Brückenschlag über die gerade erst renaturierte Isar zu verhindern. Zöllers vernichtendes Urteil: völlig überflüssig. Nur rund 800 Meter liegen zwischen Reichenbach- und Wittelsbacherbrücke - ein Umweg, den der langjährige CSU-Stadtrat für zumutbar hält. Und dann die Lage: "Im Osten geht es ins Niemandsland." Der allein für Fußgänger und Radfahrer reservierte Steg soll an der Wittelsbacherstraße auf Höhe Klenzestraße beginnen und hoch über der bei der Renaturierung neu geschaffenen Weideninsel ans östliche Ufer führen. Dort liegen die sogenannten Frühlingsanlagen, ein kleiner Park in den Isarauen, sowie die Stadtgärtnerei. Erst dahinter geht es in die Wohnstraßen der Au.

Auch politische Dauerbrenner stehen auf dem Programm

SPD und Grüne sehen die geschwungene Konstruktion hingegen als eine sinnvolle Ergänzung des Münchner Rad- und Fußwegnetzes. In Sachen Klenzesteg pflegen die beiden Fraktionen daher weiter die einstige rot-grüne Verbundenheit und schmettern die Torpedierungsversuche der CSU ab. Allerdings sind in der SPD hinter vorgehaltener Hand durchaus auch kritische Worte über den neuen Verkehrsweg auf Höhe Weideninsel zu hören. Die offizielle Linie lautet aber: Ja zur neuen Verbindung zwischen Isarvorstadt und Au.

123 Querungen hat sich das Planungsreferat insgesamt angeschaut: Kreuzungen, Brücken und Unterführungen - alles, was im Laufe der vergangenen Jahre in der Verwaltung aufgeschlagen ist. Für Radfahrer und Fußgänger wohlgemerkt. So ganz lässt sich das allerdings nicht immer von Auto- und Bahnprojekten trennen. Deshalb tauchen in der Prioritätsstufe 1+ auch kommunalpolitische Dauerbrenner wie die berüchtigte Bahnunterführung an der Dachauer Straße oder die in die Jahre gekommene Eisenbahnbrücke über die Lindwurmstraße auf. Beide sind auch als Engpässe für Radler und Fußgänger bekannt.

Eine der prominentesten Querungen in höchster Prioritätsstufe ist die über den Oskar-von-Miller-Ring, die Passanten den Weg von der Altstadt ins Museumsquartier erleichtern soll. Dort soll es künftig ebenerdig vorwärtsgehen, getreu dem Prinzip des Planungsreferats: Ebenerdig vor Brücke vor Unterführung. Diese Einstufung hat sehr praktische Gründe: Ohne Höhenunterschiede läuft und radelt es sich am bequemsten, und billiger ist es für die Stadt obendrein.

Vor allem Unterführungen sind teuer im Unterhalt und schrecken viele Leute ab - wegen ihrer Schmuddeligkeit und dem oft funzeligen Licht. Die Stadtplaner denken in einigen Fällen sogar über die Schließung bestehender Unterführungen nach. Die am Altstadtring etwa soll nach Bau einer oberirdischen Querung dichtgemacht werden. Ein neuer Fußgängertunnel entsteht hingegen am Thomas-Wimmer-Ring auf Höhe Kanalstraße. Diese Röhre, die zu der dort geplanten Altstadtring-Tiefgarage gehört, ist ebenfalls in die höchste Dringlichkeit eingeordnet.

Bei der Einstufung der 123 Querungen hat sich das Planungsreferat um möglichst allgemeingültige und deshalb wiederverwendbare Kriterien bemüht. Es ging unter anderem um die Entfernung zum jeweils nächsten Übergang, die Einwohnerdichte ringsum, den Anteil an Senioren und Kleinkindern sowie die Nachbarschaft von Schulen, Seniorenheimen, Friedhöfen oder Stadtbibliotheken. Und um die Bedeutung für längere Radverbindungen. Dies gilt etwa für die Brücke am Giesinger Berg, die möglichst schon 2017 in Angriff genommen werden soll.

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32 Querungen befinden sich nun in Priorität 1+, etliche davon führen über die große Bahntrasse im Westen der Stadt. Eine Brücke am Hirschgarten ist dabei, beginnend an der Sandrartstraße in Laim. Und auch an der Offenbachstraße soll ein neues Bauwerk über die Gleise führen. Die Bahnunterführung am S-Bahnhof Aubing soll barrierefrei ausgebaut werden. Zum Ausbau des Mittleren Rings Südwest gehört der gerade fertiggestellte Neubau der Rad- und Fußbrücke über die Heckenstallerstraße am Grabbeweg.

Ebenfalls Teil des neuen Brückenbauprogramms wird die nächstniedrigere Priorität 1, in der 14 Projekte eingestuft sind (in der Grafik nicht aufgeführt). Dazu zählen der radltaugliche Ausbau der Braunauer Eisenbahnbrücke, die Verbreiterung der Eisenbahnbrücke in der Regerstraße und die Verbindung Lauenstein-/Lincolnstraße am Fasangarten. Etwas länger warten müssen dagegen die Fans der Projekte in den Prioritätsklassen 2 und 3. Die Verbreiterung der Leinthalerbrücke in Freimann fällt ebenso in diese Kategorie wie eine Fuß- und Radverbindung über die Nürnberger Autobahn auf Höhe Großlappen. Auch drei Würmbrücken sind darunter: am Friedhof Untermenzing, an der Allacher Straße und am Vereinsheim Allach.

So soll es mal aussehen: Der Arnulfsteg verbindet das Neubaugebiet nördlich der Gleise mit den Bürogebäuden im Süden. (Foto: Baureferat)
© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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