Inzwischen kursieren schon Morddrohungen, verklausulierte wie völlig unverhohlene. "Linksextreme Rotzgöre" lautet eine der harmloseren Beschimpfungen an die Adresse von Münchens Grünen-Chefin Katharina Schulze. Bei der Grünen Jugend, die sich mit ihrer früheren Sprecherin Schulze solidarisiert hat, gehen Drohanrufe auf dem Handy und massenweise beleidigende E-Mails ein.
Der Tenor ist immer der gleiche: Es gelte, die Ehre der Trümmerfrau zu verteidigen. Im Internet gibt es inzwischen eine Facebook-Seite, auf der mehrere hundert Menschen Sympathie für die Ramadama-Generation bekunden.
Dass es so weit kommt, hätte sich die Landtagsabgeordnete Schulze wohl selbst nicht träumen lassen, als sie am Donnerstag gemeinsam mit ihrem Kollegen Sepp Dürr am Marstallplatz ein braunes Tuch über das dortige Trümmerfrauen-Denkmal stülpte. Hier werde Geschichtsklitterung betrieben, monierten die Politiker. Schließlich hätten in München vor allem Männer mit NS-Vergangenheit als Sühneleistung die Straßen aufräumen müssen. "Den Richtigen ein Denkmal, nicht den Alt-Nazis", stand daher auf dem Stoff.
In München ist ein Trümmerfrauen-Denkmal nicht gewünscht
Nach Recherchen des Stadtarchivs ist der klassische Trümmerfrauen-Mythos in München tatsächlich nicht zu halten - eine Expertise, die die Debatte in den vergangenen Jahren bestimmt hat. Schon 1999 forderte die CSU-Stadtratsfraktion die "Errichtung eines Denkmals für die Wiederaufbau-Generation in München". Mehrere Anträge mit ähnlicher Stoßrichtung folgten - und wurden mit Verweis auf die Forschungen des Stadtarchivs allesamt abgelehnt. In München, so die Rathaus-Mehrheit, ist ein Trümmerfrauen-Denkmal nicht gewünscht.
Debatte um ein Denkmal:Die Mär von den Münchner Trümmerfrauen
Wer hat in München den Kriegsschutt weggeräumt? Und darf man eine Generation pauschal ehren, der nicht nur freiwillige Helfer, sondern auch viele Nationalsozialisten angehörten? In München ist ein heftiger Streit über ein Denkmal für Trümmerfrauen entbrannt. Die Fakten zur Debatte.
Stadtrat Reinhold Babor aber ließ nicht locker. Der Chef der Seniorenunion und stellvertretende Vorsitzende des Vereins "Dank und Gedenken der Aufbaugeneration, insbesondere der Trümmerfrauen e.V." kam zu dem Schluss: Wenn die Stadt kein Grundstück fürs Denkmal herausrückt, soll es eben der CSU-geführte Freistaat tun. Babor wurde am Marstallplatz fündig, an einer Stelle, die man leicht übersehen kann. Dort wurde im Mai ein Gedenkstein enthüllt, zur Weihe im September kam neben kirchlichen Würdenträgern auch Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle.
"Ziemlich plump" nennt Spaenle die Aktion der Grünen
Der stand daher bei der Grünen-Aktion am Donnerstag besonders in der Kritik. Und zeigt sich darüber empört. Schließlich habe er, Spaenle, bei seiner Rede explizit auf die deutsche Verantwortung für die Shoah hingewiesen und eine klare Einordnung der historischen Situation vorgenommen. "Wir wissen um die Verantwortung", steht auf dem Gedenkstein - ein Satz, den der Historiker Spaenle seiner eigenen Intervention zuschreibt. Es sei "aberwitzig", diese geschichtspolitische Einschätzung nun in Frage zu stellen. Die Aktion der Grünen sei "ziemlich plump" und zeuge von "Oberlehrer-Mentalität".
Auch SPD-Fraktionschef Alexander Reissl findet das Verhüllungsspektakel "überflüssig" - auch wenn er die Skepsis über das Denkmal teilt. Es sei nun einmal so, dass es sich um die gleiche Generation handle, die die Geschehnisse politisch zu verantworten habe - auch wenn dies vielleicht im Einzelfall ungerecht sei. Über die Form des Protests könne man "trefflich streiten", findet Grünen-Fraktionschef Florian Roth. Inhaltlich aber sei man bei Schulze und Dürr: In seiner Pauschalisierung sei das Denkmal "eine Art Geschichtsklitterung".