Der Stein des Anstoßes ist noch keine zehn Minuten verhüllt, da bleiben schon die ersten Neugierigen stehen. Sieht aber auch merkwürdig aus, dieses rot-braun verhüllte unförmige Etwas, das da auf dem Marstallplatz unter ein paar Ahornbäumen steht. "Den Richtigen ein Denkmal, nicht den Alt-Nazis" ist mit weißen Buchstaben auf den Stoff gestickt, den die grünen Landtagsabgeordneten Katharina Schulze und Sepp Dürr über den Stein gestülpt haben. Laut Inschrift ist der kleine Felsen unter dem Tuch "den Trümmerfrauen und der Aufbaugeneration" gewidmet. Genau daran stören sich Schulze und Dürr.
Die beiden berufen sich auf Recherchen des Münchner Stadtarchivs. Demnach spielten die Trümmerfrauen in München keine so große Rolle wie in anderen deutschen Städten. Überhaupt seien unter den 1500 Münchner Helfern nur 200 Frauen gewesen. Viel schwerer aber wiegt Schulze und Dürr zufolge die Erkenntnis, dass mehr als 90 Prozent von jenen Helfern zu Kriegszeiten selbst in NS-Organisationen aktiv waren - und damit in vielen Fällen mitverantwortlich für das, was im Dritten Reich geschah. Nach dem Krieg seien ihnen die Aufräumarbeiten als Sühneleistung auferlegt worden. "Auf die muss man wirklich nicht stolz sein", sagt Sepp Dürr. "Dieses Denkmal hat hier nichts zu suchen", sagt auch Katharina Schulze.
Was die beiden besonders ärgert, ist dass Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle dem Denkmal mit seiner Teilnahme an der Einweihung im September sozusagen seinen Segen gegeben hat, obwohl sich die Stadtratsmehrheit wegen der Recherche des Stadtarchivs gegen das Denkmal ausgesprochen hatte. Sepp Dürr sagt: "Der war sich halt nicht zu blöd, im Wahlkampf am rechten Rand zu fischen."
Per Anfrage im Landtag hatte Dürr von Spaenle wissen wollen, ob er trotz der Erkenntnisse des Stadtarchivs an dem Denkmal festhalten wolle. In seiner Antwort gibt Spaenle zu, dass die Recherche für die Bewertung des Denkmals ein sehr wichtiger Gesichtspunkt sei. Allerdings hätten auch in anderen Städten Unterstützer des Dritten Reiches bei der Trümmerbeseitigung geholfen. Außerdem müsse man beachten, dass es nach dem Krieg einen Lernprozess gegeben habe, in dem sich Millionen Deutsche von den alten Leitbildern gelöst hätten. Katharina Schulze und Sepp Dürr reicht diese Antwort nicht: Sie fordern, das Denkmal auf dem Marstallplatz zu beseitigen.