Verein:In Armut gezeichnet

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Nur die wenigsten Künstler sind reich und berühmt, viele können kaum von ihrer Begabung leben. Das Münchner H-Team setzt sich nun schon seit zehn Jahren für sie ein. Jetzt feiert der Verein Jubiläum mit einer besonderen Fotoausstellung

Von Sara Maria Behbehani

Friedrich Nietzsche sagte einmal, ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. Man könnte diesen Satz ausweiten und behaupten, ohne Kunst wäre das Leben ein Irrtum. Musiker wie Franz Schubert, Schriftstellerinnen wie Ingeborg Bachmann oder Maler wie Vincent Van Gogh - um wie viel ärmer wäre die Kulturgeschichte, wenn es sie nie gegeben hätte. Heute werden sie als bedeutende Künstler gefeiert, doch sie alle waren zu Lebzeiten von Armut gezeichnet. Dass man als Künstler mitunter ein kärgliches Dasein fristet, galt damals wie heute - und erst recht in einer so teuren Stadt wie München. Ein Verein hilft jenen, die ihr Leben der sprichwörtlich brotlosen Kunst verschrieben haben.

Das H-Team - der Buchstabe H steht als Abkürzung für Hilfe oder Helfer - kümmert sich in München um Menschen am Rande der Gesellschaft. Nun feiert der gemeinnützige Verein das zehnjährige Bestehen seiner Veranstaltungsreihe "Soziales trifft Kunst und Kultur". Während es zur Gründungszeit des H-Teams Anfang der Neunzigerjahre insbesondere darum ging, Münchner vor Wohnungsnot zu schützen, sind die Hilfsangebote heute vielfältiger. "Soziales trifft Kunst und Kultur" soll Künstlern in Armut die Möglichkeit geben, sich selbst und ihre Arbeit zu präsentieren. Veranstaltungen und Ausstellungen sollen ihnen nicht nur Raum für ihre Kunst bieten, sondern auch die Hemmschwelle senken von Menschen, die bekennen müssen, dass sie von ihrer Kunst nicht leben können. Dem Geschäftsführenden Vorstand des H-Teams, Wedigo von Wedel, ist es wichtig, "Begegnung von Menschen und Schicksalen zu ermöglichen, die scheinbar weit auseinander liegen, faktisch aber oft sehr viel näher beieinander sind, als man meint", sagt er. Eine aktuelle Fotoausstellung, die an diesem Donnerstag eröffnet, dokumentiert die vergangenen zehn Jahre des Projekts.

Für Dieter de Harju, Maler, Autor und Musiker, ist das H-Team zu einem "Leuchtturm innerhalb einer sehr armen Kultur" geworden. Die deutsche Kultur empfindet er als arm in dem Sinne, als dass sie aus ihren Möglichkeiten zu wenig mache. Die Schauspielerin und Autorin Bettina Kenter-Götte war in ihrem Leben selbst von Armut betroffen und bezeichnet in ihren Buch "Geschichten von Armut und Ausgrenzung" Hartz IV als "Heart's Fear", als Angst des Herzens. Im Umgang mit armen Menschen sieht sie allzu oft eine "Verletzung der Menschenrechte". Hartz IV "bekämpft nicht die Armut, sondern die Armen", sagt sie. Für sie ist es wichtig, das Schweigen der Künstler über ihre Armut zu brechen: "Menschen, die einmal in der Öffentlichkeit gestanden haben, müssen sich hinstellen und sagen: ,Ich bin betroffen.' Sonst bekommt die Armut nie ein Gesicht."

Aber warum tut man sich als Künstler ein Leben am Existenzminimum überhaupt an? "Heute wird uns suggeriert, dass jeder Mensch jede Tätigkeit ausüben könnte", sagt Kenter-Götte. "Das stimmt einfach nicht. Es gibt bestimmte Neigungen, bestimmte Begabungen. Und überdies haben wir ein Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und freie Berufswahl." Dennoch gibt der Maler de Harju auch zu bedenken, dass man bereit sein müsse, einiges auszuhalten. "Das Erste ist Selbstverantwortung", sagt er. "Jeder muss gucken, ob das Leben, das er lebt, tatsächlich möglich ist." Gerade junge Künstler müssten über Möglichkeiten der finanziellen Absicherung aufgeklärt werden, betont Ute Belting. Sie ist Geschäftsführerin des Paul Klinger Künstlersozialwerks, das eng mit dem H-Team zusammenarbeitet und die Schirmherrschaft für die neue Ausstellung übernommen hat.

Die Fotoausstellung ist nach telefonischer Vereinbarung unter 089/ 7 47 36 20 an der Plinganserstraße 19 zu sehen, der Eintritt ist frei.

© SZ vom 08.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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