Verbrechen in Münchner Nachtclub:Mord in Tabledance-Bar vor Aufklärung

Lesezeit: 2 min

Natallia G. wurde am frühen Dienstag in einem Nachtclub in der Nähe vom Münchner Hauptbahnhof ermordet. Hier sichern Beamten Spuren am Morgen danach. (Foto: Robert Haas)

Sie haben ihn wohl: Der mutmaßliche Mörder einer Münchner Barfrau ist in Sachsen gefasst worden. Jurij Sch. war nur wenige Stunden vor der Tat aus einer Entziehungsanstalt entlassen worden - weil ihn zwei Gutachter für ungefährlich hielten.

Von Susi Wimmer

Der mutmaßliche Mörder der Barfrau Natallia G. ist festgenommen worden. Jurij Sch., der in dringendem Verdacht steht, die 35-jährige Barfrau Dienstagfrüh in der Tabledance-Bar Kapitol am Hauptbahnhof erstochen zu haben, wurde am Freitag in Dresden verhaftet. Nach SZ-Informationen waren ihm die Zielfahnder der Münchner Polizei auf die Spur gekommen. Der 44-Jährige hatte Kontakt mit Bekannten aus Sachsen aufgenommen. Zusammen mit den beiden Männern wurde er am Freitag in einem Auto nahe Dresden gestoppt und verhaftet.

Jurij Sch. war erst vergangenen Montag aus der Isar-Amper-Klinik in Haar entlassen worden, wo er sich nach einer Haftstrafe zum Entzug befunden hatte. Jurij Sch. hatte bereits 2005 im Rausch einen Landsmann mit einem Messer niedergestochen und war 2006 wegen versuchten Mordes zu neuneinhalb Jahren Haft und Entziehungsanstalt verurteilt worden.

Montagabend - Stunden nach seiner Entlassung - war er in der Bar an der Arnulfstraße aufgetaucht, um der Barfrau Natallia G. nachzustellen, die er bei seinen Freigängen kennengelernt hatte. Offenbar hatte die 35-Jährige seine Avancen nicht erwidert. In den frühen Morgenstunden fand ein Angestellter die Frau blutüberströmt in der Bar, jegliche Reanimationsversuche blieben vergeblich: Natallia G. starb wenig später in einer Klinik.

Zwei Gutachter hatten Jurij Sch. positive Prognosen bescheinigt - und so seine frühzeitige Entlassung ermöglicht. "Nachdem dem Gericht das Gutachten eines externen Psychiaters und eines der behandelnden Ärzte vorlag, entschied man, den Mann zum 4. März 2013 zu entlassen", sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. Der im Dezember 2012 beauftragte Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass Jurij Sch. austherapiert sei und nicht zu erwarten sei, dass er wieder Straftaten begehen werde. Zum selben Schluss kamen auch die behandelnden Ärzte der Isar-Amper-Klinik in Haar. In beiden Gutachten werden gewisse Auflagen empfohlen, etwa eine ambulante Therapie, regelmäßige Alkohol- und Drogenkontrollen, Besuche beim Bewährungshelfer, fester Wohnsitz, Arbeit.

Bevor der 44-Jährige entlassen wurde, konnte er sich bei Freigängen an sein neues Leben gewöhnen. Offenbar verliefen diese Tests problemlos - und offenbar führte ihn sein Weg bei den Freigängen in die Tabledance-Bar, wo er die hübsche Natallia G. traf. Was dort Dienstagfrüh geschah, ist noch unklar. Polizei und Staatsanwaltschaft aber halten den Russen für dringend tatverdächtig.

Der mutmaßliche Täter ist gelernter Schlosser im U-Boot-Bau. Bis 1986 war er bei einer Flugabwehrtruppe der sowjetischen Armee in Leningrad stationiert, dann wechselte der Berufssoldat nach Weimar. Als im Dezember 1991 die Sowjetunion aufgelöst wurde, beschloss Sch. zu desertieren und flüchtete nach Deutschland.

Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er wurde aber geduldet. Jurij Sch. lebte in einem Asylbewerberheim, beging Diebstähle und Körperverletzungsdelikte, gelegentlich saß er im Gefängnis. 2005 stach er im Rausch auf einen Landsmann ein. Das Opfer überlebte. 2006 verurteilte ihn ein Gericht zu neuneinhalb Jahren Haft und Entziehungsanstalt. Sch. wurde ausgewiesen, laut Kreisverwaltungsreferat habe es aber "Abschiebungshindernisse" gegeben. Bis 2014 hätte Jurij Sch. in Haar bleiben sollen. Am Montag wurde er vorzeitig entlassen.

© Süddeutsche.de/SZ vom 09.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: