Urteil:"Stink" muss ins Gefängnis

Lesezeit: 2 min

  • Ein 52-Jähriger hatte auf seine Freundin eingestochen.
  • Nun muss er dafür drei Jahre und drei Monate in Haft.
  • Der Mann war seiner Freundin drangsaliert worden: Er musste im Fahrradkeller schlafen und Flaschen sammeln, um sich etwas Brot kaufen zu können.

Von Christian Rost, München

Jahrelang drangsalierte die 52-Jährige ihren gleichaltrigen Freund. Sie schlug und trat ihn, wenn sie sich ärgerte, hielt ihn finanziell kurz und warf ihn aus der gemeinsamen Wohnung, wann es ihr passte.

Als Ralf H. dann am 11. November 2015 mit einem Küchenmesser auf sie einstach und kurz nach der Tat festgenommen wurde, war er geradezu erleichtert, dass er ins Gefängnis musste. Die Zeit dort empfindet er als "Erholungsurlaub", der nun noch drei Jahre und drei Monate dauern wird. Zu dieser Freiheitsstrafe hat das Schwurgericht am Landgericht München I Ralf H. am Dienstag verurteilt.

Das Gericht unter dem Vorsitz von Norbert Riedmann sprach H. wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig. Die Staatsanwaltschaft hatte auf versuchten Mord plädiert und eine neunjährige Haftstrafe verlangt. Verteidigerin Heidi Pioch wollte für ihren Mandanten eine zweijährige Bewährungsstrafe.

München
:"Das ist doch kein normales Verhältnis"

Entfährt es dem Richter, als er die Geschichte des ungleichen Paares hört: Er nannte sie "Prinzessin", sie ihn "Stink" und ließ ihn im Fahrradkeller schlafen. Irgendwann griff der Mann zum Messer.

Von Christian Rost

Er sei schließlich vom versuchten Tötungsdelikt zurückgetreten, argumentierte die Anwältin. Das Gericht folgte dieser Auffassung: Nachdem H. seiner Freundin zwei Mal in den oberen Rückenbereich gestochen hatte, ließ er seinen Arm sinken und sich das Messer vom Opfer abnehmen. Die Stiche waren nur in die Fettschicht unter der Haut eingedrungen. Die Frau meinte, sie habe lediglich "ein Piksen" gespürt.

Er wusste, dass Messerstiche zum Tod führen können

Dass die Stiche "nicht mit erheblicher Wucht" ausgeführt worden waren, so Richter Riedmann, wertete die Kammer zugunsten des Angeklagten. Sie hätten auch nicht zu bleibenden Schäden geführt, außerdem bereue H. die Tat und sei nicht vorbestraft. Allerdings sei ihm auch klar gewesen, dass Messerstiche zum Tod führen könnten, so Riedmann. Und geplant sei die Tat auch gewesen, was sich negativ auf das Strafmaß auswirkte.

Die Vorgeschichte der Messerattacke wiederum wirkte sich strafmildernd aus. H. sei von seiner Freundin "schikaniert, drangsaliert und geschlagen" worden, stellte Riedmann fest. Im Prozess hatte das die Frau auch eingeräumt und keinerlei schlechtes Gewissen dabei. Sie nannte ihren Freund "Stink", während er sie "Prinzessin" rief.

Ein Jahr lang verließ sie die Wohnung kein einziges Mal

Obwohl er mitunter tagelang aus der Wohnung in Berg am Laim ausgesperrt wurde, im Fahrradkeller schlafen und Flaschen sammeln musste, um sich etwas Brot kaufen zu können, hing Ralf H. an dieser Frau. Stets war er ihr zu Diensten, kümmerte sich um den Haushalt, erledigte Einkäufe, während sie am Computer spielte und über ein Jahr hinweg die Wohnung nicht verließ.

Arbeitslos waren beide, und ein sehr ungleiches Paar. Er ist klein und schmächtig, sie auch in ihrer Erscheinung dominant. Während er sich vor Gericht wortgewandt und höflich zeigte, blaffte die Frau den Richter bei Gelegenheit auch mal an. Der Vorsitzende schüttelte den Kopf über das Paar: In 26 Jahren am Gericht habe er schon viel erlebt, meinte Riedmann, das aber sei ein spezieller Fall: "Das ist doch kein normales Verhältnis."

Das Gericht ging aber auch nicht soweit, dass es H. an jenem 11. November 2015 eine Notwehrsituation zugestand, nach dem Motto: Er habe sich nicht anders zu helfen gewusst, als sie ihn mal wieder der Wohnung verwies, weil sie ihre Ruhe haben wollte. "Sie hätten gehen und die Tür endgültig hinter sich zumachen sollen", hielt der Vorsitzende dem ergeben dreinblickenden Angeklagten vor.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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