Und jetzt?:"Ich fange nicht gleich das Jammern an"

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Alexander Glas hat Sozialpädagogik studiert, die Vorlesungsräume an der Fachhochschule in Pasing waren gut erreichbar und ein Studienbegleiter unterstützte ihn. (Foto: Robert Haas)

Alexander Glas sitzt im Rollstuhl und ist jeden Tag auf Assistenten angewiesen, die im Alltag helfen

Interview von Wolfgang Görl

MünchenAlexander Glas, 43, kann infolge Sauerstoffmangels bei der Geburt nicht laufen und nur eine Hand bewegen. Er ist auf die Hilfe von Assistenten angewiesen. Glas hat Sozialpädagogik studiert und arbeitet bei der Vereinigung Integrationsförderung an der Klenzestraße. Auch den Weg zum Arbeitsplatz kann er nicht allein zurücklegen.

SZ: Sie fahren in Begleitung eines Helfers mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Haben Sie da mit vielen Hindernissen zu kämpfen?

Alexander Glas: Eigentlich kaum. Das einzige Problem ist, dass die Lifte oft kaputt sind und man deshalb weite Umwege in Kauf nehmen muss. Die Busfahrer zum Beispiel sind verpflichtet, die Rampe herunterzulassen. Da trifft man mal freundliche, mal weniger freundliche Fahrer, aber das gehört für mich zum normalen Leben.

Wie reagieren die Leute sonst?

Natürlich hat jeder schon mal schlechte Erfahrungen gemacht, aber die meisten Leute sind freundlich und hilfsbereit. Erst gestern bin ich in der U-Bahn einer Frau unabsichtlich in die Hacken gefahren. Als sie gemerkt hat, dass es ein Rollstuhl war, hat sie sich entschuldigt - obwohl es mein Fehler war. Das ist mir schon öfter passiert. Ich glaube, das Verständnis rührt auch daher, dass es für die Münchner nicht ungewöhnlich ist, jemanden im Rollstuhl zu sehen. Ich komme vom Land, da war das in den Achtzigerjahren schon noch was anderes. Da haben die Leute geschaut, als würden sie einen Außerirdischen sehen.

War es schwierig für Sie, als Rollstuhlfahrer zu studieren?

Für mich nicht. Ich hatte einen Studienbegleiter, den der Bezirk Oberbayern finanziert hat. Der hat für mich mitgeschrieben oder mich zum Beispiel auf Exkursionen begleitet. Die Vorlesungsräume an der Fachhochschule in Pasing waren auch gut erreichbar. Klar, hier und da gab es immer mal Schwierigkeiten, aber ich bin keiner, der dann gleich das Jammern anfängt.

Wie kommen Sie zu Hause zurecht?

Ich wohne schon allein, aber ich habe halt 20 Stunden am Tag Assistenz. Im Moment habe ich ein sehr gutes Team, insgesamt sechs Angestellte, die jeweils zusammen mit mir einkaufen, den Haushalt führen, kochen oder mich baden und duschen. Allerdings wird es immer schwieriger, gutes Personal zu finden. In München herrscht beinahe Vollbeschäftigung, da gibt es nicht so viele verfügbare Leute.

Wie wird die Betreuung finanziert?

Ich habe drei Kostenträger: Der vorrangige ist die Pflegeversicherung, dann noch der Bezirk und die Landeshauptstadt.

Gehen Sie auch manchmal aus?

Selbstverständlich. Ich gehe gern ins Kino oder zum Fußball.

Zum FC Bayern?

Ja, Sechzig kann man ja nicht aushalten. Da muss man Masochist sein.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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