Münchens Geburtshaus zieht in eine ehemalige Abtreibungspraxis. Es ist eine Nachricht, die zunächst überraschend klingt. Bei manch einem mag sie Befremden auslösen. Und Abtreibungsgegner könnten es sogar als ihren Triumph betrachten. Mehr als 20 Jahre hat der Arzt Friedrich Stapf im Westend Abtreibungen vorgenommen. Und so lange sind seine Gegner regelmäßig vor die Praxis gezogen, haben sich als Lebensschützer aufgespielt und demonstriert. Und nicht nur das. Sie haben auch Frauen bedrängt, die auf dem Weg in die Praxis waren, um sie zu bekehren. Und nun zieht dort also ausgerechnet Münchens Geburtshaus ein.
Doch es ist keinesfalls ein Sieg für die Abtreibungsgegner. Der Arzt hat auch nicht aufgegeben, er ist mit seiner Praxis nur umgezogen. Man sollte die Nachricht nicht aufladen oder dramatisieren. Ein Mieter zieht aus, weil sein Mietvertrag ausgelaufen ist, ein neuer Mieter findet sich, dem die Räume sehr gut passen.
Westend:Nach langer Suche - Geburtshaus findet neue Räume
Das einzige Geburtshaus der Stadt zieht ins Westend - in die einstige Praxis eines prominenten Abtreibungsarztes.
Entscheidungsfreiheit für Frauen
Zudem haben ein Geburtshaus und eine Abtreibungspraxis - so gegensätzlich sie auch sein mögen - eine entscheidende Gemeinsamkeit: Es sind Einrichtungen, die garantieren, dass Frauen Entscheidungsfreiheit geboten wird. Dass sie die Möglichkeit haben, selbst zu bestimmen, ob sie ein Kind bekommen möchten. Beziehungsweise darüber, wie und wo sie ihr Baby zur Welt bringen.
Lange war unklar, ob es weitergeht für das Geburtshaus, denn der Mietvertrag war ausgelaufen. Nun gibt es endlich eine Perspektive für die in München einzigartige Einrichtung. Man muss nicht glühender Verfechter von Geburtshäusern sein, um ihre große Bedeutung für die Stadt schätzen zu können. Es gibt bundesweit nicht mehr viele Geburtshäuser. Die hohen Kosten der Haftpflichtversicherung zwingen viele Hebammen dazu, sich von der originären Aufgabe ihres Berufs, der Geburtshilfe, zu verabschieden.
Geburtshaus vor dem Aus:Hilferuf der Hebammen
Der Mietvertrag für das Geburtshaus in Neuhausen läuft aus, im Sommer müssen die Hebammen aus dem Gebäude ausziehen. Neue Räume haben sie bisher nicht gefunden. Nun soll eine Online-Petition helfen.
Und dass eine Abtreibungspraxis wie auch ein Geburtshaus nebeneinander existieren, das gehört zu einer offenen Großstadt. Ebenso wie hier unterschiedliche Wertvorstellungen nebeneinander bestehen. Dazu zählt das Recht auf Abtreibung ebenso wie die Freiheit, Abtreibungen abzulehnen. Das ist aber noch lange kein Grund, sich in das Leben anderer Menschen einzumischen, wie es einige militante Abtreibungsgegner machen. Dem Arzt ist zu wünschen, dass er und seine Patientinnen in er neuen Praxis nicht mehr belästigt werden.