Umweltforum:Samenbomben und Solarstrom

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Beim zweiten Truderinger Umweltforum brummt das Kulturzentrum. Bereits am Vormittag tummeln sich rund 800 Kinder in Haus und Hof. Ihnen ist wichtig: Machen statt quatschen

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Alle Türen stehen offen, das ganze Haus und auch die Wiese draußen sind voll mit Kindern und Jugendlichen von Kita bis Oberstufenklasse. Infostände, Mitmachprogramme, Filme, Diskussionen: Das Truderinger Kulturzentrum brummt am Freitagvormittag beim Umweltforum.

Ein paar coole Jungs aus der Wilhelm-Busch-Realschule sitzen zusammen, füllen den Quizfragebogen aus, für dessen Antworten man sich im Saal und auf der Wiese bei den verschiedenen Ausstellern von Bund Naturschutz bis Green City, von KiwiSolar bis Pro Regenwald die Antworten zusammensuchen muss. "Sehr informativ", sagt Marco aus der 9 b. Sein Kumpel Sebastian hat sich fest vorgenommen, von nun an einen Becher in seinem Rucksack zu haben: Am Stand von "Trudering im Wandel" hat er verblüfft festgestellt, wie umweltschädlich die To-go-Behälter sind: Die 2,8 Milliarden Becher, die allein die Deutschen jährlich austrinken und wegwerfen - unfassbare 320 000 jede Stunde, könnte man zu einem 300 000 Kilometer hohen Turm stapeln. Um sie herzustellen, werden 29 000 Tonnen Papier verbraucht, 43 000 Bäume gefällt.

Trudering im Wandel ist eine rührige Umweltinitiative, die sich gegründet hat als Antwort auf die Zukunftsgespräche im Kulturzentrum - und die wiederum waren dem ersten Umweltforum vor drei Jahren gefolgt. Jetzt helfen die Ehrenamtlichen der neuen Initiative mit beim zweiten Forum. Ein nachhaltiger Erfolg.

Draußen im Zelt stellen Edel Konischek und andere Mitstreiterinnen von Trudering im Wandel mit den Kindern "Samenbomben" her aus Erde, Ton und ökologischer Samenmischung Marke "Insektenbuffet". Die sind der Hit bei allen. Das Waschwasser für die unzähligen kleinen Hände ist schon so braun wie die Erde selbst. Im Saal zeigt derweil Eva Peters, welche Alternativen es gibt, wenn man auf Plastik verzichten will. Ein ganzes Regal haben sie vollgestellt mit Dingen wie einem altmodischem Melitta-Kaffeefilter aus Porzellan, Einkaufstaschen aus Stoff, wohlriechendem festem Shampoo, Vorratsdosen aus Edelstahl, Gemüsebürsten ohne Plastikgriff oder Kleber in der Glasflasche.

Viel Getreide braucht man für ein Brot, das lernt man beim Gut Riem. Was man alles wiederverwerten kann, lehrt das Umweltnetz Ost. (Foto: Lukas Barth)

Julia Späth hat gerade noch ein Verlängerungskabel herumgetragen, jetzt sitzt sie im Foyer auf einem Tisch und strahlt und staunt: Die 19-Jährige macht nach ihrem Abi im Giesinger Asamgymnasium im Kulturzentrum ein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur und hat für das Forum alles koordiniert und organisiert. Sie hat gewusst, dass allein am Vormittag rund 800 Kinder angemeldet waren: Aber nun wirklich zu sehen, wie eifrig sie diskutieren, wie ernst sie bei der Sache sind, das haut sie beinahe um: "Ich bin überwältigt. Die viele Arbeit hat sich gelohnt." Auch Zentrums-Leiterin Christina Hesse sagt, sie sei begeistert und geradezu gerührt.

So geht es aber auch vielen der Aussteller an den Infoständen. "Super", sagt etwa Michael Stark vom Gut Riem. Er musste gerade neues Vollkornbrot holen lassen für die frische Butter, die die Kids an seinem Stand mit Wonne aus Biosahne in kleinen Gläschen shaken. Die sieben mitgebrachten Laibe haben nicht gereicht. Toll findet er, dass ein Gemeinschaftsgefühl zu spüren sei, denn alle hier wollen dasselbe - die Welt retten.

Lehrer Edwin Busl vom Haarer Ernst-Mach-Gymnasium ist sich sicher, dass es um nichts Geringeres geht: "Man muss gnadenlos unbequeme Wahrheiten ansprechen. Aber daraus ergeben sich auch Gestaltungskompetenzen." Laura aus der Zehnten, Maja und Sofie aus der 6 e setzen sich ein für "Plant for the Planet", ein Schüler-Baumpflanzprogramm. "Wir müssen selbst unsere Zukunft in die Hand nehmen, wenn Erwachsene nichts tun", sagt Laura: "Es wird zu oft nur geredet und nichts getan, darum sagen wir: stopp talking, start planting. Hört auf zu quatschen. Wir kämpfen auch für Klimagerechtigkeit." Ein richtiger kleiner Vortrag ist das. Später aber erwischt Busl eine der Aktivistinnen mit einer Coladose - beim Pächter der Cafeteria im Zentrum ist das Umweltbewusstsein offenbar nicht so ausgeprägt, dass er auf Mehrweg setzt.

Die Kinder lernen beim zweiten Truderinger Umweltforum auf Gut Riem einiges über Getreide. (Foto: Lukas Barth)

Doch im kleinen Saal zeigt die Grundschule am Lehrer-Götz-Weg, was man alles aus Recycling-Material basteln kann. Warum also soll die Coladose nicht ein kleines Blumentöpfchen werden, etwa für eine Samenbombe? Der kleine Maksimylian und sein Freund Paul haben gerade einen Fragebogen ausgefüllt und sind stolz, dass der ökologische Fußabdruck ihrer Eltern im Grünen Bereich zu liegen scheint. Sie seien die einzige Grundschule in München, die sich Umweltschule nennen dürfe, sagt Schulleiterin Christine Neumann. Dabei mache es doch Spaß, Dinge weiterzuverwenden, Hefte aus Recyclingpapier herzunehmen, Flohmärkte zu organisieren oder zu Fuß zur Schule zu gehen.

Draußen präsentiert der 16-jährige Ramersdorfer Sebastian Reichl Lehrern eine Arbeit, die er an der Emile-Montessori-Schule gemacht hat: Einrollbare Solarpaneele für sein selbstgebasteltes Elektrorad. Andere streicheln Faxi, das geduldige Pferd der Pädagogischen Farm, Kinder aus der Flüchtlingsunterkunft befühlen Erde, die ohne Torf auskommt. Nachmittags und abends gewinnen dann die Erwachsenen in Filmen, Vorträgen und Ausstellungen neue Erkenntnisse.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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