Ude in Peking:"Manches zum Besseren verändert"

Lesezeit: 4 min

OB Christian Ude ist in Peking, um für Winter-Olympia 2018 zu werben. Ein Gespräch über seine Eindrücke und Münchens Chancen für 2018.

Jan Bielicki

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hat in Peking dafür geworben, dass München die Winterspiele 2018 erhält. Ude reist seit 1997 regelmäßig nach China und ist Gastprofessor an der Nankai Universität in der Millionenstadt Tianjin. Im SZ-Gespräch berichtet er von seiner Dienstreise zu den Olympischen Spielen.

OB Ude: Hätten wir uns wohler gefühlt, wenn die Spiele in Moskau stattgefunden hätten? (Foto: Foto: ddp)

SZ: Wie haben Sie die Olympischen Spiele in Peking erlebt?

Christian Ude: Sehr intensiv und mit sehr reichhaltigen Eindrücken. Peking hat mit den Olympischen Spielen einen gigantischen Sprung nach vorne gemacht. Schon am Flughafen empfängt einen ein sehr elegantes neues Terminal und, trotz gründlicher Checks, ungewöhnlich freundliches Sicherheitspersonal. Auch viele Fahrrouten habe ich nicht wiedererkannt, obwohl ich mich erst ein Jahr zuvor auf ihnen bewegt habe. Wo damals noch Industriebrachen waren, sind jetzt Wiesen und Wälder. Es wurde an den olympischen Routen gigantisch aufgeforstet. Natürlich darf man diese Kulisse nicht für die ganze Wahrheit nehmen, aber die Spiele haben doch manches zum Besseren verändert, wie auch die Eröffnungsfeier gezeigt hat.

SZ: Inwiefern?

Ude: Die Inszenierung zeigte zwei für mich neue Dinge. Erstens präsentierte sich China als multiethnisches Land mit vielen Minderheiten, unpolitisch und folkloristisch zwar nur, aber auch das ist ein Zeichen der Öffnung, genauso wie das zur Schau gestellte Bekenntnis zur 2000-jährigen Kulturgeschichte.

SZ: Schöne Kulissen hat das Regime also aufgebaut?

Ude: Das ist die Frage nach der Fassade und dem, was dahinter steht. Wenn die Feier jetzt militärisch-martialisch dahergekommen wäre, hätte jeder gesagt: Hier zeigt das Regime sein wahres Gesicht. Dann kam aber eine sehr lockere Inszenierung heraus, und nun ist es auch nicht recht. Natürlich ist eine solche Feier kein Abbild der Realität, und natürlich herrscht dort ein autoritäres und überängstliches Regime. Aber es zeigt sich eben auch ein neues Selbstverständnis der Regierung, und das lautet: Wir wollen das Leben der Menschen verbessern. Der Dunst über der Stadt etwa hat nicht mehr nach Chemie gerochen wie noch ein Jahr zuvor, sondern war wohl einfach klimatisch bedingter Dunst. Zum ersten Mal macht man sich nun in China Gedanken darüber, wie schädlich der Autoverkehr sein kann. Man mag das nur für eine Übung für Olympia halten, aber der ökologische Gedanke ist nun in den Köpfen.

SZ: Sie halten die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) also nicht für falsch, die Spiele nach Peking zu vergeben?

Ude: Hätten wir uns wohler gefühlt, wenn die Spiele in Moskau stattgefunden hätten, während im Kaukasus Krieg herrscht? Oder in den USA, die einen völkerrechtswidrigen Krieg im Irak führen? Die Zustände in der Welt stimmen nun einmal nicht immer mit dem olympischen Ideal eines friedlichen Zusammenlebens überein. Und es hat sich durch Olympia vieles zum Besseren gewendet. China ist offener geworden.

SZ: Professionelle Beobachter in China sagen das Gegenteil: Die Repressalien gegen Regimekritiker, aber auch westliche Journalisten nehmen zu, es ist schwieriger geworden, ein Visum zu bekommen.

Ude: Tatsächlich reagiert das Regime gegenüber freier Presse alles andere als souverän. Da ist die Panik übermächtig und führt zu törichtem Vorgehen. Das Regime hat seinen Charakter selbstverständlich nicht geändert.

SZ: Müssten nicht das IOC und die Sportwelt dagegen Stellung beziehen, gerade nach den Erfahrungen mit den Olympischen Spielen von 1936 in Berlin oder 1980 in Moskau?

Ude: Das wäre eine überzogene Erwartung an den Sport. Auch die Vereinten Nationen haben trotz einer schönen Charta weder Kriege noch übelste Diktaturen verhindert. Natürlich hätte ich mir vom IOC manchmal ein klareres Auftreten gewünscht. Aber es muss uns auch klar sein, dass unsere Ansprüche an Menschenrechte und Demokratie nur von einer Minderheit der Regierungen in der Welt mitgetragen werden.

SZ: Trotzdem erscheint der Ruf der Olympischen Spiele gründlich ruiniert. Sie gelten als politisch manipuliert, durchkommerzialisiert und dopingdurchseucht. Warum wollen Sie die Spiele dennoch nach München holen?

Ude: Ich möchte diese drei Charakterisierungen doch mal wenigstens problematisieren. Der Spitzensport ist heute nun einmal ein großes Geschäft, gesponsert von Wirtschaftsunternehmen bis hinein in den Breitensport - und ist der gute deutsche Fußball etwa weniger kommerziell als Olympia? Doping ist keinesfalls ein Kennzeichen der olympischen Spiele, sondern eher ein Problem zum Beispiel des Radsports...

SZ: ... aber auch zentrale olympische Sportarten wie Leichtathletik, Schwimmen oder nordischer Skisport gelten vielen Experten als nahezu rettungslos dopingverseucht.

Ude: Diese Missstände muss man bekämpfen, und nicht deshalb gleich den Spitzensport abschaffen wollen. Oder soll man keine Zeitungen mehr drucken, nur weil es darin bisweilen dumme Artikel gibt? Und was die politische Situation betrifft: War die Lage in Tibet in den vergangenen Jahrzehnten etwa weniger schlimm als jetzt? Nein, aber wegen Olympia wird jetzt so viel über Tibet geschrieben und nachgedacht wie noch nie. Gleiches gilt für die Menschenrechte in China, und dieses enorme Interesse der Weltöffentlichkeit ist doch auch eine Chance.

SZ: Wie sehen Sie Münchens Chancen auf Olympia nach Ihrer Reise?

Ude: Es war wirklich beglückend. Wir haben jeden Tag ein halbes Dutzend Empfänge und Treffen mit Mitgliedern der olympischen Familie gehabt. Überall hat sich gezeigt, dass München einen unglaublich guten Ruf hat. Ob sie aus Israel, aus dem Senegal, aus China oder aus Brasilien kommen, sie alle haben ein Leuchten in den Augen, wenn sie an München denken. Das liegt an den Sommerspielen von 1972, die trotz des Attentats als sehr gelungen gelten. Das liegt an der gewaltigen Sportbegeisterung während der Fußball-WM 2006. Und es liegt am Image der Stadt, die viele als lebensfroh, traditionsbewusst und trinkfest ansehen. Es ist mir fast peinlich, aber das große beer festival spricht jeder an.

SZ: Nach Ihren Worten kann also gar nichts mehr schiefgehen?

Ude: Unsere Bewerbung ist aussichtsreich, aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Manche haben uns auch gesagt: Olympia in München wäre herrlich, aber seid vorsichtig! Der Erfolg hängt von vielen Faktoren ab, auch von Bündnissen und Verabredungen zwischen Sportverbänden und anderen Akteuren. Die Macht des Samsung-Konzerns hinter der Bewerbung des südkoreanischen Pyeongchang ist schon spürbar. Den Leiter der Bewerbungsgesellschaft von Pyeongchang habe ich in Peking auch getroffen. Wir haben uns einen fairen Wettbewerb versprochen.

© SZ vom 16.08.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: