Tassilo Frieß aus Erding hat sich eine besondere Sportart ausgesucht. Keine besonders moderne, sondern eine Sportart, deren Wurzeln bis an das Ende des 19. Jahrhunderts reichen. Er ist Gewichtheber. Das ist offensichtlich genau die richtige Entscheidung gewesen, denn der 14-Jährige vom TSV Erding ist ein echtes Talent. Erst vor etwa einem Jahr hat der Erdinger Schüler mit dem Gewichtheben begonnen und wenig später gleich den zweiten Platz bei den oberbayerischen Meisterschaften gestemmt. Inzwischen stand er bereits bei zahlreichen weiteren Wettkämpfen auf dem Siegertreppchen. Bei den bayerischen Meisterschaften Anfang Juni erreichte der junge Sportler aus Erding den vierten Platz.
Das Talent liegt offenbar in der Familie. Auch der Onkel hatte sich dem Gewichtheben verschrieben. "Durch ihn bin ich überhaupt zu dem Sport gekommen", erzählt Tassilo Frieß. "Er hat gemeint, das wär was für mich, und mich zum Training eingeladen." Erst sei er schon ein wenig skeptisch gewesen, doch dann hat ihm die erste Trainingsstunde bei den Erdinger Gewichthebern so gut gefallen, dass er dabei geblieben ist. "Alle spielen Fußball, aber Gewichtheben ist schon was Besonderes", findet der 14-Jährige.
Dreimal in der Woche absolviert der Erdinger Schüler in der Trainingshalle in der Grundschule Altenerding sein Programm. Mit seinem Trainer Minh-Tuan Dang feilt er an der Technik. Der Übungsleiter ist sehr zufrieden mit seinem Schützling: "Tassilo ist fleißig und ehrgeizig." Der Erdinger Schüler erzählt gerne von seinem Sport: dass man beim Reißen schnellstmöglich die Hantel über den Kopf heben muss, beim Stoßen nicht zu weit in die Hocke gehen darf und Konzentration ganz wichtig ist. Eins gehört auch dazu, weiß der junge Sportler: "Wenn bei einem Wettkampf mal ein Versuch nicht so gut klappt, dann muss man das wegstecken und es noch mal probieren."
Im Training steht nach dem Aufwärmen zunächst "Sprint, Springen und Stoßen wie beim Kugelstoßen" auf dem Programm, informiert Minh-Tuan Dang. Krafttraining gehört natürlich auch dazu. Dann wird mit leeren Stangen geübt, die nach und nach mit immer mehr Gewichten bestückt werden. "Das Schöne am Gewichtheben ist, dass die Jugendlichen sehen, wie sie sich steigern. Sie sehen die Erfolge gleich schwarz auf weiß", erklärt der Trainer. Wie Tassilo Frieß verrät, hat er durch das intensive Training innerhalb eines Jahres zehn Kilo zugenommen: "Vorher hatte ich relativ wenig Kraft, das hat sich jetzt geändert." Außer der Kraft zählt auch die Technik, fügt Minh-Tuan Dang hinzu. Wird zum Beispiel die Hantel zu weit vom Körper gehalten, gibt es im Turnier Punktabzug.
Die Gewichtheber-Abteilung des TSV Erding hat bereits große Erfolge aufzuweisen: Von 1979 bis 1989 gewannen die Jugendheber zehnmal in Folge die bayerische Jugendmannschaftsmeisterschaft, 1985 und 1986 sogar den Deutschen Jugendmannschaftstitel. Die erste Mannschaft kletterte bis in die zweite Bundesliga. Und auch derzeit gibt es mehrere junge Talente: neben Tassilo Frieß sein Cousin Alexander Frieß (13 Jahre) sowie der 16-jährige Jakob Halamoda. "Nachwuchs ist immer willkommen", sagt Minh-Tuan Dang. "Wer einmal beim Gewichtheben schnuppern will, kann beim Training in Altenerding gerne vorbeikommen". Weitere Informationen unter www.tsverding.de
Trotz seiner Erfolge bleibt Tassilo Frieß, der die Herzog-Tassilo-Realschule in Erding besucht, mit beiden Beinen am Boden. "Für eine Profikarriere bin ich zu spät dran. Ich habe zu spät mit dem Gewichtheben begonnen", glaubt er. Aber mit Sport müsse sein Beruf schon einmal etwas zu tun haben, fügt er hinzu. Sein Trainer Minh-Tuan Dang, selbst ein erfolgreicher Gewichtheber beim TSV Erding, traut seinem Schützling jedoch noch viel zu. Er selbst habe erst mit 14 Jahren mit dem Sport begonnen, sagt Dang. Heute ist er 29 Jahre alt, arbeitet als Ingenieur in einem großen Unternehmen, hebt immer noch Gewichte und wurde erst kürzlich bei der Ehrung der besten Sportler des Landkreises Erding für seine Erfolge ausgezeichnet: 2014 hat Minh-Tuan Dang den deutschen Meistertitel der Senioren errungen - mit 88 Kilo im Reißen und 141 Kilo im Stoßen. Es ist also auch für Tassilo Frieß noch alles drin.