5. Todestag von Mosi:Keine Zeit der Paradiesvögel

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Vor fünf Jahren starb das Münchner Original Rudolph Moshammer. Seitdem ist die Stadt eine andere geworden.

Christina Maria Berr

München liebt seine schrägen Vögel, wie Originale hier gerne genannt werden. Originale, die die Stadt unverwechselbar machen, die dem provinziellen Dasein einen weltoffenen, toleranten Touch verleihen und doch die vielbeschworene Münchner Lebensart verkörpern. Originale sind oft dem Kulinarischen zugewandt, gehen aufs Oktoberfest oder wenigstens in die Oper, sie spazieren gerne durch die Maximilianstraße oder aber sie befinden sich am anderen Ende der gesellschaftlichen Hierarchie und leben gewissermaßen von und auf der Straße. Denn Geld müssen Originale nicht besitzen.

Es wird nicht mehr über ihn gesprochen, doch vermisst wird er immer noch: Rudolph Moshammer. (Foto: Foto: ddp)

Prunkvoll ausstaffiert sein schadet anderseits auch nicht. Ansonsten sind Lederhose, Vollbart oder auch blaue Jackets mit Goldknöpfen von Vorteil - und eine schräge Frisur. Kurz: ein unverwechselbars Aussehen. Denn Originale wären keine Originale, könnte man sie auf der Straße nicht erkennen.

Einer, der das all das verkörperte war Rudolph Moshammer, der Modezar mit schwarzen, hochtoupierten Haaren und einem geschminkten Gesicht mit sichtbaren Make-Up-Rändern, mit einem Geschäft in der Maximilianstraße, einer schrillen, ihm nicht von der Seite weichenden Mutter und einer winzigen Hundedame auf dem Arm.

Am 27. September 1940 in München geboren, mit einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei der Münchner Stoffgroßhandlung "Ernst &Knecht", all das klingt eigentlich nicht spektakulär. Doch dann kommt ein Praktikum in Paris bei Christian Dior und er beginnt seinen exzentrischne Hang auszuleben. Für die Schickeria an der Isar entwirft er Rollkragenpullover aus Seide, bunte Krawatten und eigenwillige Bademäntel. Dazu kommt eine Selbstinszenierung, die er selbst, so hatte man stets den Eindruck, nicht so ganz ernst nahm, und doch einen großen Spaß dabei hatte.

Der Mann, der in guten Zeiten Karl Flick, José Carreras und Arnold Schwarzenegger einkleidete, ließ sich von seinem Chauffeur im weißen Rolls Royce zu seinem Laden in der Luxusmeile bringen und dort den Wagen schon mal in zweiter Reihe abstellen. Moshammer durfte das. Zwar könne er überhaupt nicht schneidern, hieß es, obwohl er eine Schneiderlehre absolviert hat. Dennoch reussierte er mit seinem Modegeschäft "Carneval de Venise", wenngleich man immer wieder munkelte, Moshammer sei pleite, der Laden ein Verlustgeschäft.

Doch Mosi, wie ihn die Münchner liebevoll nannten, ließ sich von Gerüchten dieser Art nicht beeindrucken. Bedenken, so er sie denn hatte, behielt er für sich.

Stattdessen liebte Rudolph Moshammer den großen Auftritt - und das kam der Münchner Schickeria durchaus entgegen. Im König-Ludwig-Look besuchte er Society-Events, ließ sich schon mal mit einem Sechs-Spanner vorfahren oder mit einem Geparden abbilden. Er war angekommen in der High Society und blieb ihr doch fern. Zum einen konnte er seine eigene karge Kindheit nicht vergessen. Sein Vater, einst Abteilungsleiter in einer Versicherung, wurde erst arbeits- schließlich auch obdachlos, nahm sich in der Folge das Leben. Moshammer wuchs in Armut auf, kümmerte sich später selbst um Obdachlose, bedachte sie in seinem Testament. Das war Mosis offene, herzliche Seite.

Doch Moshammer hatte auch eine unnahbare Seite, eine die dazu passte, dass sich Touristen die Nasen an seinem Geschäftsfenster plattdrückten und doch lieber nicht den Laden betraten. Die dunkle Seite, zu der das abgeschottete Haus in der eher unwirtlichen Gegend in Grünwald passte. Eine Seite, die sein Privatleben im Dunkeln ließ. Seine Mutter, einst bemüht ihren wohlbehüteten Sohn jungen Fräuleins nahezubringen, hatte ihn immer wieder zu Kaffeekränzchen mitgenommen, wo Mädchen seines Alters waren - freilich erfolglos. Diese dunkle, verborgene Seite Moshammers war es dann auch, die sein Tod plötzlich preisgab, die aus Gerüchten plötzlich Fakten machte.

Am 14. Januar wurde Rudolph Moshammer ermordet. Der Grund: Nach einem Liebesspiel - Moshammer hatte den Mann aus dem Strichermilieu am Hauptbahnhof angesprochen und dann in seine Grünwalder Villa gebracht - hatte es Streit um die Bezahlung gegeben.

Zur Beerdigung ganz im Sinne der Bussi-Bohème gab es einen riesigen Trauerzug von seinem Geschäft in der Maximilianstraße zum Ostfriedhof. Dort wurde Moshammer in einem Mausoleum, das er seiner Mutter gestiftet hatte, beigesetzt. Fotografen erklommen Grabsteine, Gräber wurden von der trauernden Fangemeinde zertrampelt. Mosi-Hype. Und heute?

Es finden sich nur noch selten Fans am Grab und in der Maximilianstraße erinnert nur ein kleines Schild an den Laden. Doch der Münchner, der ja den Wandel an sich nicht liebt, der hängt weiter an seinen Originalen - und denkt im Stillen, wie schade es doch ist, dass der Mosi nicht mehr über die Maximilianstraße schlendert. Aber das zu sagen, hieße ja auch zuzugeben, dass sich etwas verändert hat.

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