Tierpark Hellabrunn:Längst nicht alles artgerecht

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Zwischen Anspruch und Realität klafft eine Lücke

"Zufriedene Zoo-Besucher" vom 17. Januar:

Die meisten Besucher sind laut Umfrage eines Marktforschungsinstituts mit dem Tierpark zufrieden - wen wundert's, denn wer wirklich unzufrieden ist, kommt erst gar nicht wieder, kann also auch nicht befragt werden. Ich kenne aber schon einige, die von den Baustellen bereits vertrieben wurden, während die Marktforscher eher die Parksituation als Hauptkritikpunkt sehen. Könnte es sein, dass nach den Baustellen nur nicht gefragt wurde? Erwähnt werden sie jedenfalls nicht.

Dafür wurden die Besucher aber gefragt, ob sie die Tierhaltung "artgerecht" finden. Dieser Begriff, der im Zusammenhang mit der Tierschutzgesetzgebung eingeführt wurde, um Mindestanforderungen an Tierhaltungen festzulegen, sollte aber nie eine Frage des Gefühls sein, zudem ist er mit dem gesunden Menschenverstand oft nur schwer nachzuvollziehen. Etwa wenn einmal 12 Quadratmeter, ein anderes Mal aber erst 70 Quadratmeter für vier Rotfüchse als artgerecht eingestuft werden, je nachdem, ob es sich um Pelz- oder Zootiere handelt. Was artgerecht ist, bestimmt also auch der Zweck der Haltung - bei ein und derselben Art, wohlgemerkt.

Aber selbst, wenn man sich nur am für die Zoos geltenden Säugetiergutachten orientiert, kann die Einstufung, was "artgerecht" ist, durchaus strittig sein. So hat das neue Hellabrunner Schneehasen-Gehege vielleicht auf dem Reißbrett die für drei Tiere erforderlichen 30 Quadratmeter, nur hat beim Erstellen des Gutachtens wohl niemand daran gedacht, dass jemand auf die unsinnige Idee kommt, eine derart kleine Anlage mit einem Besuchersteg zu versehen und auch noch Füchse direkt neben die Hasen zu setzen. Dazu bewegen sich hinter allen übrigen Gehege-Wänden lärmende Besucher. Da gehen die leicht stressbaren Hasen naturgemäß auf Distanz, so dass die effektiv nutzbare Fläche deutlich kleiner ausfallen dürfte. Ist das aber dann wirklich noch artgerecht? Von renommierten Zoos sollte man eigentlich etwas mehr als nur die Einhaltung von Mindestanforderungen erwarten dürfen.

Laut Studie gehen zudem deutlich mehr Besucher "äußerst zufrieden" nach Hause, als die Tierhaltung "artgerecht" finden. Spätestens hier sollte man das Studien-Design einmal überprüfen. Es kann eigentlich nicht sein, dass ein gefühltes Unbehagen bezüglich der Tierhaltung vom restlichen Angebot aufgewogen wird, Spielplätze und Gastronomie finden sich schließlich auch andernorts in bester Qualität. Für den Geschmack echter Tier-Fans macht sich in Hellabrunn die Gastronomie schon jetzt viel zu breit und rückt den Gehegen zu nahe. Beim Beobachten der Tiere habe ich jedenfalls nicht gerne Pommes-Geruch in der Nase. Immer mehr davon wird Besucher, die vor allem wegen der Tiere kommen, in andere Zoos abwandern lassen, die womöglich nicht so ganz ohne Grund weniger einem Riesen-Biergarten gleichen.

Dass laut Besucherbefragung noch 30 Prozent der Münchner und sogar 69 Prozent der auswärtigen Besucher mit dem Auto anreisen, zeigt außerdem nur, dass es dem Zoo bisher nicht gelungen ist, seine Besucher ausreichend für den Umweltschutz zu sensibilisieren, was ja zu seinen Aufgaben gehört. Kritik an der Parksituation, vor allem dem Untergrund, darf keinesfalls als Votum für ein Parkhaus missverstanden werden, denn vielen dürfte gar nicht bewusst sein, dass sie hier in einem Flora-Fauna-Habitat parken - dieses Faktum dürfte die Meinungsbildung durchaus beeinflussen. Sabine Hartl, München

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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