Eigentlich hätten sie Anfang Dezember zusammenkommen sollen, all die Delegierten, die halbjährlich über die Geschicke der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK) abstimmen. Sie bilden die Vollversammlung - das Gremium, das die 382 000 Pflichtmitglieder der Kammer vertritt. In der Kammer sind alle oberbayerischen Betriebe, mit Ausnahme der des Handwerks, zwangsweise Mitglied. Doch nun haben die Delegierten die Nachricht bekommen, dass es eilt und dass sie schon Mitte November neu abstimmen sollen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Es geht um eine Causa, welche die Hauptgeschäftsführung einer der größten Wirtschaftsverbände Deutschlands lange unter dem Deckel hatte halten wollen.
Auf der Tagesordnung steht die Sanierung der mehr als 110 Jahre alten IHK-Zentrale an der Münchner Max-Josef-Straße. Eine Baustelle, um die sich seit Monaten merkwürdige Geschichten ranken - und die eigentlich bald, im Frühjahr 2015, schon Geschichte sein sollte. Dann sollten alle statischen Probleme und Brandschutzmängel behoben sein.
Gesamtpreis: 92 Millionen Euro
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird diese Sanierung, die nach neuesten Aussagen 2018 abgeschlossen sein soll, nun weit teurer als gedacht, um 30 Millionen Euro: Der im April bestellte neue Generalplaner Anderhalten Architekten aus Berlin hat dem Bau- und Haushaltsausschuss der IHK in der vergangenen Woche eine erste Grobschätzung vorgelegt, wie die IHK auf Anfrage bestätigt. Zu der Summe, die sich auf 92 Millionen Euro belaufen soll, wollte sich die IHK indes nicht äußern. Sie dementierte sie aber auch nicht - wohl auch, weil der ehrenamtliche Arm der IHK-Führung, das Präsidium und die Vollversammlung, diese Summe auf offiziellem Wege noch nicht erfahren haben. Nun wolle man die Mitglieder schnellstmöglich über den aktuellen Sachstand informieren, sagte ein Sprecher.
Abgesegnet hatte die Vollversammlung nämlich nur 72,9 Millionen Euro - und in dieser ursprünglichen Summe waren bereits zehn Millionen Euro als Puffer eingeräumt. Man wisse, dass Altbausanierungen Überraschungen bieten, hieß es damals, 2011, in einer Hochglanzschrift zum Umzug in das Ausweichquartier an der Balanstraße.
Generalplaner gefeuert - Streit um 10 Millionen
Doch solche Überraschungen hat bisher weniger die Baustelle selbst geboten, sondern vor allem das Drumherum: Im Herbst 2013 schasste die IHK ihren Generalplaner, ein renommiertes Münchner Büro, das allein für seine Vorarbeiten knapp zehn Millionen Euro in Rechnung gestellt hat. Mit diesem liegt die IHK seitdem im Streit - man versucht weiterhin, sich außergerichtlich zu einigen. Ob man nur über tatsächlich angefallene und damit fällige Honorare streitet oder auch um einen Ausgleich für ausgefallene Arbeiten, mit denen man wirtschaftlich geplant hatte, ist unklar.
Klar ist hingegen, dass sich der neue Generalplaner und auch ein erst im Sommer vorübergehend hinzugezogener Projektsteuerer zunächst von Grund auf in das Projekt einarbeiten müssen - was Zeit und Geld kostet, pro Monat fallen 200 000 Euro Miete für das Ausweichquartier an. Die Miete zählt nicht zur Bausumme. Es ist nicht der einzige kostspielige Posten. Bekannt wurde ein überaus gut dotierter Beratervertrag mit einem Ingenieur, welcher der IHK-Führung bei allen anstehenden Bauprojekten zur Seite stehen soll.
Erstes IHK-Mitglied zieht vor Gericht
Pikant ist das alles, weil die Industrie- und Handelskammern ihre Einnahmen aus den Pflichtbeiträgen ihrer Mitglieder beziehen. Dies kritisiert der Bundesverband der Freien Kammern (BFFK), eine Lobbyorganisation, die dem Kammerzwang für Unternehmer den Garaus machen will und darum sogar vor dem Bundesverfassungsgericht klagt. Der BFFK unterstützt auch eine Klage eines Münchner Kinobetreibers, der sich weigert, seine Beiträge zu zahlen.
Tatsächlich verfügt die IHK München über enorme Rücklagen, hat jahrelang über Plan Einnahmen verzeichnet - und darum inzwischen angekündigt, die Einnahmen zu senken. Mit Stolz verkündet hat sie ihr Rekordjahr 2013 aber nicht: Ihr Bilanzergebnis von knapp 55 Millionen Euro verkündete sie fast verschämt am Ende einer Pressemitteilung, die Überschrift: "Wirtschaft fordert leistungsfähige Schulen".