Terrordrohungen gegen Oktoberfest:"Sie steigern sich rein"

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Trotz Terrordrohungen strömen die Massen auf das Oktoberfest. Manfred Langer vom Zentralen Psychologischen Dienst der Münchner Polizei erklärt das Seelenleben des Wiesn-Gängers.

S. Wimmer

Die Polizei spricht von einer "ernstzunehmenden Bedrohung", trotzdem strömen die Massen weiterhin auf das Oktoberfest. Manfred Langer vom Zentralen Psychologischen Dienst der Münchner Polizei hat einfache Erklärungen für das Seelenleben des Wiesn-Gängers.

SZ: Suchen Menschen, die jetzt noch auf die Wiesn gehen, einen besonderen Kick? Sind die besonders risikofreudig?

Langer: Nein. Das sind Leute, die die Sache völlig realistisch einschätzen. Es gibt keinen konkreten Anlass, in Panik zu verfallen. Das mit der Bedrohung ist eine relativ abstrakte Geschichte.

SZ: Aber in den Droh-Videos ist definitiv zweimal vom Oktoberfest die Rede.

Langer: Es werden in dem Video mehrere Ziele genannt. Aber wir haben keine Hinweise darauf, dass es tatsächlich Planungen für ein Attentat auf die Wiesn gibt. Für mich bleibt das abstrakt. Natürlich gibt es niemals eine hundertprozentige Sicherheit im Leben. So gesehen ist man aber nirgendwo auf der Welt sicher.

SZ: Dann müsste man andersherum fragen: Sind Menschen, die sich nicht mehr auf die Wiesn trauen, neurotisch?

Langer: Das Gefühl, Angst zu haben, steht jedem zu. Es gibt Leute, die im Leben mit extremen Ängsten zu kämpfen haben, es ist frei flottierende Angst vor vielen Dingen. Die kann dann bei solchen Gelegenheiten ausbrechen.

SZ: Ich habe also ein psychisches Problem, wenn ich jetzt das Oktoberfest meide?

Langer: Sie sollten sich fragen: Vor was hab ich noch Angst? Ist es nicht eine Lebenseinstellung, Angst zu haben? Es sei jedem zugestanden, ängstlich zu sein. Nur, die Wahrscheinlichkeit, dass Sie bei einem Zugunglück sterben, ist weitaus höher, als jetzt auf der Wiesn einem Anschlag zum Opfer zu fallen.

SZ: Ein ängstlicher Mensch sollte gegensteuern und trotzdem hingehen?

Langer: Es wäre sinnvoll, zu lernen, mit der Angst umzugehen. Zum einen hat die Polizei ihre Kontroll- und Schutzmaßnahmen so verstärkt, dass das Oktoberfest momentan wohl der sicherste Platz in München ist. Zum anderen muss man einfach bei der Realität bleiben. Frauen haben Angst, in der Tiefgarage vergewaltigt zu werden. Eine völlig abstrakte Angst. Rein statistisch betrachtet passiert da so gut wie gar nichts. Oder: Warum habe ich Angst vorm Fliegen? Das Flugzeug ist das sicherste Verkehrsmittel. Diese Leute kokettieren mit dem Gedanken, dass ihnen eine Katastrophe widerfahren könnte. Sie haben den Weltuntergang vor Augen, kurz gesagt: Sie steigern sich rein.

SZ: Geschürt werden diese Ängste auch noch durch Gerüchte und Horror-Geschichten von Bombenfunden.

Langer: Gerade hab' ich das Märchen gehört, das Sondereinsatzkommando hätte auf der Wiesn einen Bombenkoffer aus einem Zelt geholt. Ich weiß nicht, welche Menschen solche Gerüchte in die Welt setzen. Die verbreiten sich wie bei der "Stillen Post". Einer sagt was, der andere dichtet was dazu. Das sind Leute, die sich krankhaft wichtig machen wollen. Das halte ich für abartig. Und über das Internet können diese Menschen ihre Abnormalitäten ausleben.

SZ: Und, gehen Sie auf die Wiesn?

Langer: Nein.

SZ: Warum nicht?

Langer: Ich bin einfach kein Volksfestgänger. Allerdings habe ich dienstlich dort zu tun: Ich spreche mit den Beamten der Wiesnwache über ihren stressigen Job.

© SZ vom 01.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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