Tauchkurs an ungewöhnlichem Ort:Tiefenrausch in der Krautfabrik

Lesezeit: 4 min

Alles in Ordnung: Unter Wasser verständigen sich Taucher mit Handzeichen. (Foto: Renate Schmidt)

Wo früher Sauerkraut gegoren hat, lernen Anfänger in großen, gefliesten Becken das Tauchen. Und das ist gar nicht so einfach: Vor lauter Aufregung kann man beim ersten Tauchgang das Ein- und Ausatmen schon mal vergessen.

Von Karoline Meta Beisel

Wenn nur das Wasser nicht wäre. Auf dem Trockenen ist Atmen ja leicht. Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen - nur eben durch das dicke schwarze Mundstück. Beim Einatmen macht es erst ein dumpfes Klick-Geräusch, dann hört man laut jeden Atemstoß. Wie im Operationssaal, wenn ein Narkose-Patient beatmet wird. Oder wie bei Darth Vader, dem Bösewicht aus den Star-Wars-Filmen. Hier unten, in einem gekachelten Keller in Aufkirchen, muss niemand dieses Geräusch fürchten - zur Not spuckt man das Mundstück halt wieder aus und atmet die Luft, die einen umgibt. Das Gruselige ist nur: In ein paar Minuten wird das nicht mehr gehen.

Wer in Thailand lebt oder in Indonesien, der hat es leicht. Mit dem Meer voller Fische vor der Haustür findet man schnell heraus, ob man sich zum Taucher eignet oder nicht. Für Münchner liegt die Sache anders. In der Umgebung gibt es zwar viele Seen, in denen man tauchen kann, selbst jetzt im Herbst und sogar im Winter. Aber erstens weiß das nicht jeder, und zweitens ist so ein kalter See nicht unbedingt die einladendste Umgebung für die ersten Atemzüge unter Wasser. Wer sich also ganz vorsichtig herantasten will an das Abenteuer Tauchen, dem bleibt eigentlich nur der Gang in die Sauerkrautfabrik.

Es riecht nach Chlor. Keine Spur mehr von Sauerkraut

Früher wurde in Aufkirchen bei Erding Sauerkraut hergestellt. In riesigen, gefliesten Becken musste das Kraut gären. Aber 1999 hat Klaus Egger die Fabrik seines Großvaters in ein Indoor-Tauchzentrum umgebaut. Heute erinnert nichts mehr an die Krautfabrik, auch nicht der Geruch: Es riecht nach Chlor, genau wie im Schwimmbad, und es sieht auch so aus. Nur dass die Becken tiefer sind, etwa fünf Meter, und nirgendwo ein Bademeister zu sehen ist. In die Tanks darf sowieso nur hinein, wer schon tauchen kann oder einen Tauchlehrer dabei hat.

Abtauch-Reviere, hier der Buga-See: Gute Sicht

1 / 4
(Foto: Claus Schunk)

Im Riemer Park abzutauchen ist zugegebenermaßen nicht die nahe liegendste Idee. Früher war hier nämlich überhaupt kein See, er wurde erst 2005 für die Bundesgartenschau angelegt. Aber die Nachfrage war da, und so ist seit dem Jahr 2010 das Tauchen im nördlichen Teil des Sees per Allgemeinverfügung erlaubt - jedenfalls außerhalb der Badesaison, nämlich vom 1. März bis zum 15. Mai und vom 15. September bis zum 30. November. Weil der 18 Meter tiefe See noch so jung ist, sind Flora und Fauna unter Wasser noch nicht richtig ausgebildet - was aber auch interessant ist, so kann man von Tauchgang zu Tauchgang vergleichen. Ein paar Hechte, Jungfische und Wasserschnecken gibt es hier aber schon jetzt zu sehen - und Plastikmüll, den die Badegäste im Sommer zurücklassen. Aber die meisten Taucher kommen sowieso nicht her, um die Unterwasserwelt zu erkunden. Der See ist wegen seiner guten Sichtweiten - 12 Meter sind keine Seltenheit - vor allem bei Tauchschulen beliebt, die hier mit ihren Anfängern üben. Erfahrenere Taucher kommen, um neue Ausrüstung zu testen.

Echinger Weiher: Aliens und Christbäume

2 / 4
(Foto: Marco Einfeldt)

Wer in München das Tauchen lernen will, erkundet mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann auch den Echinger Weiher, nicht weit vom Autobahnkreuz Neufahrn entfernt. Er ist nur acht Meter tief, und Tauchen ist das ganze Jahr über erlaubt - das Wasser ist das ganze Jahr zwischen 10 und 14 Grad warm, so kann sich selbst im Winter keine Eisdecke bilden. Vergangene Tauchgäste haben unter Wasser einige Sehenswürdigkeiten installiert. Ein einarmiger Alien winkt den Tauchern zu, auch kann man diverse geschmückte Weihnachtsbäume entdecken - ein Tauchgang zu Nikolaus gehört am Weiher beinahe schon zur Tradition. Im vorderen Bereich des Sees gibt es zum Üben drei Plattformen auf unterschiedlichen Tiefen. Außerdem gibt es meterhohe Wasserpflanzen und umgestürzte Bäume, beliebte Motive für Unterwasserfotografen. Weil der See verpachtet ist, wird vor dem Tauchgang eine Gebühr fällig, je nach Saison und Wochentag 6 oder 8 Euro. Der See liegt in einem Landschaftsschutzgebiet, darum werden am Tag maximal 60 Taucher in den Weiher gelassen.

Langwieder See: Schildkröten und Karpfen

Im Langwieder See kann von Mai bis Ende Oktober getaucht werden - wenn auch zu recht unterschiedlichen Bedingungen. Im Sommer wird der See im Münchner Nord-Westen so warm, dass man es auch ohne Haube oder Handschuhe in ihm aushält, bis die Flasche leergeatmet ist. Im Frühjahr und Herbst ist das Wasser kalt. Der See, immerhin das zweitgrößte stehende Gewässer Münchens, entstand in den Dreißigerjahren als Kiesgrube beim Autobahnbau. Mittlerweile leben hier viele Fische, manche davon mehr als ein Meter lang. Darum ist der See nicht nur bei Tauchern, sondern auch bei Anglern beliebt. Am häufigsten begegnen die Taucher Hechten, Zandern, Barschen oder Karpfen. Aber auch Schildkröten und Kois wurden hier schon gesichtet. Dafür muss allerdings die Sicht gut sein. Gerade an vollen Tagen im Sommer ist das nicht immer der Fall. Taucher weichen dann auf die frühen Morgenstunden oder auf Regentage aus. Praktisch: Direkt am See gibt es Toiletten und ein Restaurant - zumindest während der Hochsaison. Allerdings sind dann wegen der vielen Badegäste auch die Parkplätze schnell belegt.

Starnberger See: Steil und gefährlich

3 / 4
(Foto: Lino von Gartzen)

Es ist die Steilwand, die die Taucher anzieht. An manchen Tagen kommen fast 100 Sportler. Am Ostufer des Starnberger Sees, bei Allmannshausen, fällt eine Felswand parallel zum Ufer auf bis zu 80 Meter Tiefe ab. Mystische Lichtverhältnisse, kleine Terrassen und Felsvorsprünge machen den besonderen Reiz der Wand aus. Es gibt aber auch kuriose Dinge zu entdecken: Eine Parkbank in 13 Metern Tiefe. Eine Statue noch einmal 10 Meter weiter unten. Und ein altes Telefon. Aber richtig spannend wird es für viele erst weiter unten - und damit auch gefährlich. Immer wieder kommt es im Starnberger See zu tödlichen Unfällen. Zuletzt kam dort im März ein Münchner Tauchlehrer ums Leben, die dort privat unterwegs waren. Ganz verbieten will man das Tauchen hier nicht, aber es gelten Einschränkungen: Alleine tauchen ist verboten, bei 40 Metern ist für normale Presslufttaucher Schluss, und wenn Anfänger im See ausgebildet werden, gilt die 1:1-Regel: Jeder Tauchlehrer darf nur einen einzigen Novizen mit in die Tiefe nehmen. Seit dem Unfall im März wird allerdings diskutiert, diese Regeln weiter zu verschärfen.

Walchensee: Geheimnisvoller Waller

4 / 4
(Foto: Manfred Neubauer)

Der türkisgrüne Walchensee ist nicht nur die erste Adresse, um vor Besuchern aus dem Flachland mit der Schönheit Bayerns anzugeben. Auch für Taucher ist der See ein attraktives Ziel. Und zwar nicht nur wegen dem, was man in seinem klaren, fischreichen Wasser tatsächlich entdecken kann. Sondern wegen dem, was man rein theoretisch noch entdecken könnte. Mit 192 Metern ist der Walchensee der tiefste See Bayerns, und er ist wahnsinnig klar. Sichtweiten von bis zu 15 Metern sind nicht selten. Aber für normale Taucher reicht das nicht, um den Grund des Sees inspizieren zu können, dabei gäbe es hier viel zu sehen: drei Flugzeuge, darunter eine Messerschmitt Bf 109 aus dem Zweiten Weltkrieg, ein gesunkenes Boot voll mit Töpfen und Pfannen, aber auch zwei Autos - ein Ford und ein VW Käfer. Und dann gibt es noch die Geschichte des monströsen Wallers. Der schleimige Raubfisch soll einen riesigen Schwanz haben, mit dem er den Kesselberg durchschlagen und das Oberland überschwemmen könnte. Allerdings: Im Sommer kommen bis zu 1000 Taucher pro Monat, und keiner hat den Waller je gesehen. Texte: KMB

Im Geräteraum erklärt Maik Wiedemann seinen Schnupperkurs-Teilnehmern die Regeln, warum der Druck, den das Wasser in der Tiefe ausübt, gefährlich sein kann und wie man ihn ausgleicht. Die schwarzen Taucheranzüge haben da alle schon an - es ist ein heiteres Ziehen und Hüpfen und Springen, bis alle Reißverschlüsse geschlossen sind. Die wichtigste Regel lautet: Halte niemals den Atem an! Eigentlich naheliegend, wer will schon nicht atmen? Andererseits kostet gerade das nicht wenige Menschen Überwindung: Atmen, wenn der Kopf unter Wasser liegt.

Die Ausrüstung wiegt knapp 20 Kilo

Auf dem Trockenen lässt sich diese Scheu aber nur schlecht bekämpfen. Nachdem auch die Flaschen, Schläuche und Anzeigen erklärt sind, geht es also wirklich los. Das heißt: rüber zu den Tanks. Ganz schön mühsam, mit knapp 20 Kilo Ausrüstung auf dem Rücken. Aber bald sitzen alle auf der niedrigen Mauer, die sie jetzt noch vom ersten Tauchgang trennt.

"Fertig? Dann lass dich nach hinten fallen!" ruft Maik Wiedemann einem nach dem anderen zu, er wartet schon im Wasser. Dann kommt die erste Aufgabe: An der Oberfläche, aber mit dem Kopf im Wasser, ruhig atmen. Das klappt bei allen gut. Als nächstes übt die Gruppe, was passiert, wenn man unter Wasser aus Versehen den Atemschlauch verliert: Einfach das Mundstück wieder in den Mund nehmen und einmal feste Ausatmen, so dass das Wasser aus dem Schlauch hinausgedrückt wird. Geht auch. Richtig ernst wird es erst bei der dritten Übung: Abtauchen.

Maik Wiedemann nimmt zuerst Robert Jaskolla aus Bad Aibling mit in die Tiefe. Der 20-Jährige hält sich an der Leiter fest. Er muss nichts weiter machen, als immer dann den Druck auszugleichen, wenn Maik ihm ein Zeichen gibt - und natürlich atmen! Niemals das Atmen vergessen. Der Druckausgleich funktioniert wie im Flugzeug: Nase zuhalten und von innen gegen die Ohren drücken. Maik kümmert sich um alles andere: Langsam lässt er die Luft aus Roberts Weste, indem er einen Schlauch in die Höhe hält und auf eine Taste drückt, damit die Luft entweichen kann und Robert sinkt. Insgesamt vier Mal halten die beiden so an, dann sind sie unten - Robert setzt sich auf den Boden und wartet auf die anderen beiden, die Maik genau wie ihn nach unten bringt.

Wenn man zu viel Luft in die Weste lässt, schießt man wie ein Korken nach oben

Dann geht das Jojo-Spiel los. Einmal unten angekommen, versuchen die Anfänger, ihre Westen mit den Tasten am Schlauch selbst so aufzublasen oder zu entleeren, dass sie frei im Wasser schweben. Das bekommt keiner auf Anhieb hin. Entweder, sie lassen zu viel Luft in die Weste - dann schießen sie wie ein Korken an die Wasseroberfläche. Oder sie lassen zu viel Luft hinaus. Dann kleben sie wie Steine am Beckenboden.

Tarieren heißt dieser Vorgang. "Das ist wie Fahrradfahren", hat Maik vorher erklärt: Man muss einfach ein Gefühl dafür entwickeln. Irgendwann kann man es und vergisst es auch nicht mehr. Aber dieses Stadium erreicht bei diesem ersten Tauchgang keiner. Macht nichts, es geht ja nur darum, überhaupt mal zu erleben, wie es ist, sich unter Wasser zu bewegen.

Zum Schluss nimmt Maik seine kleine Gruppe noch mit auf einen Streifzug durch die Tanks: Acht Stück sind es, die mit kurzen Tunneln miteinander verbunden sind. Viel zu sehen gibt es nicht. Immerhin: ein paar Rochen, Krokodile und ein Delfin - aus Plastik, natürlich. Maik schwimmt von einem zum anderen und kontrolliert immer wieder, wie viel Luft noch in den Flaschen ist. Nach 35 Minuten geht die erste Anzeige auf rot. Das heißt für alle: Auftauchen. Oben wiegen die Flaschen plötzlich wieder 50 Kilo, mindestens. Und trotzdem sind alle an diesem Tag auch ein bisschen leichter geworden: Die diffuse Angst vor dem Atmen unter Wasser, die ist weg.

© SZ vom 10.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: