Szene München:Wenn das Stamperl verboten ist

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Das Münchner Stamperl - eine aussterbende Art? Zumindest in einigen Lokalitäten scheint es bereits verdrängt zu sein. (Foto: dpa)

Eigentlich ist es üblich, den Geburtstagsgästen einen Schnaps auszugeben. In München kann das aber zu ungeahnten Schwierigkeiten führen.

Von Charlotte Haunhorst

Eines der größten Missverständnisse über Geburtstagskinder ist, dass sie an ihrem Ehrentag nur nehmen und nicht geben müssen. Dabei trifft das höchstens noch in der Kindheit zu, wenn die Eltern einen mit Geschenken und Kuchen zuschmeißen und man am Abend trotzdem nicht einmal mehr die Spülmaschine einräumen muss. Spätestens mit dem 18. Geburtstag ist das vorbei.

Von da an hat das Geburtstagskind eine heilige Pflicht: Es muss Getränke für seine Gäste zahlen. Bei einer Feier in einer Kneipe heißt das mindestens eine Runde ausgeben, am besten um Mitternacht.

Es erweist sich allerdings als kompliziert, diese Tradition in München zu pflegen. Stellt sich in anderen Städten für das Geburtstagskind die Frage "Sekt oder Schnaps?", steht man hier vor der Entscheidung: "Schampus oder Spirituose auf Eis?" - zumindest in der Goldenen Bar. Ein schnödes Stamperl mit Jägermeister oder Wodka gibt es dort nämlich nicht, man ist ja schließlich nicht auf einem Schützenfest. Der Ausgeber entscheidet sich notgedrungen und unter Zeitdruck - es ist zehn vor zwölf - für die Wodka-auf-Eis-Variante. Das klingt für einen Geburtstag mit einer Zwei vorne angemessen. Er bezahlt: 120 Euro für 15 Getränke.

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Trotz des Preisschocks also schnell hinausgelaufen zu den wartenden Freunden - es ist bereits kurz nach Mitternacht - und die Gläser verteilen. Ein "Happy Birthday" wird angestimmt, aber lieber nicht zu laut, die anderen Barbesucher gucken schon komisch. Und dann wird angestoßen. Jeder trinkt einen Schluck aus dem schick-geschliffenen Glas und stellt danach fest: Verdammt, so ein Wodka auf Eis ist ja viel mehr als ein Stamperl. Eher drei bis vier. Und schmeckt in so einer Menge gar nicht mal so gut.

Kurz kommt der Gedanke auf, das Glas vom Barkeeper mit Cola auffüllen zu lassen. Aber wo's keine Stamperl gibt, gilt sicher auch Wodka-Cola als prollig. Ins Beet schütten kommt bei diesen Preisen ebenfalls nicht infrage. Und so sieht man noch eine Stunde später Geburtstagsgäste, die an ihrem Wodka nippen. In der anderen Hand halten sie ein zusätzliches Bier zum Ausspülen - selbstbezahlt, versteht sich.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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