Szene München:Virtuell baden, real aufs Klo gehen

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Statt selbst reinzuspringen, greifen viele am Eisbach lieber zum Handy und filmen die Surfer und Schwimmer. (Foto: Robert Haas)

Am Eisbach regiert das Handyvideo: Digitale Trophäen ersetzen bei kalten Wassertemperaturen die analogen Erfahrungen. Das klappt aber nicht auf jedem Gebiet.

Von Korbinian Eisenberger

Wer in diesen Tagen in den Eisbach springt, badet nach Angaben des Gewässerkundlichen Dienstes bei zehn bis dreizehn Grad. Ganz nebenbei wird man dabei zum Protagonisten Dutzender Handyvideos: Statt selbst zu schwimmen, filmt der Eisbach-Besucher lieber die wenigen, denen die Temperaturen nichts ausmachen. Die digitalen Beweismittel ersparen einem die analogen Erfahrungen - man hätte sich schließlich verkühlen können.

Man könnte auch sagen, dass der Eisbach-Besucher zum regelrechten Warmduscher tendiert, zumindest im Mai, wo er sich mit eisiger Flüssigkeit ausschließlich von Innen befeuchtet. Am vergangenen Samstag waren am Liegestuhlstand bereits nachmittags die Getränke aus. Mit der Sonne weichen Bierverkäufer und Nackerte dann den Youngstern, die das Ufer zur Einstimmung auf die Partynacht bevölkern.

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Trinkgelage am Eisbach-Ufer haben allerdings einen Haken: Wen vor lauter Durst auf einmal die Notdurft plagt, der muss kreativ werden. Stille Örtchen in der Natur sind dort an heißen Tagen schwer zu finden, und die Schlangen an den Klos am Milchhäusl sind lang.

Weil das manchen unzumutbar erscheint, haben sich Programmierer-Teams einen bequemen Lösungsansatz überlegt: Wer den unanständigen Gang in Busch oder Bach vermeiden will, kann sich mittlerweile mit Apps wie "WC-Finder Deutschland" oder "Toiletten Scout" die Erlösung herbeinavigieren - also Toiletten im Umkreis aufspüren.

So albern das klingen mag, die Apps funktionieren gut, das sagen mehrere Testergebnisse. Man landet dann zum Beispiel in einer Restaurant-Kette in der Leopoldstraße, wo Riesenpizzen serviert werden. Statt der erhofften Befreiung wartet hier vor der Toilettentür allerdings ein Hindernis: Die Klotüren sind hier mit den Gender-Symbolen beschriftet - was eher ungewöhnlich ist und nach eifrigem Bierkonsum zu einer kniffligen Prüfung werden kann.

Die meisten googlen sich mit ihrem Smartphone aus der peinlichen Lage. Schließlich rumpelt eine junge Frau, nasse Haare, aufs Männerklo. Ihr Handy, sagt sie, das habe sie beim Sprung in den Eisbach versehentlich versenkt.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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