SZenario:Von Zeit zu Zeit

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Caroline Reiber mit Sohn Markus wird von einer Fotografin beobachtet im Gespräch mit Miroslav Klose und Frau Sylwia (v. l.). (Foto: Claus Schunk)

Wenn Miroslav Klose die Gäste vertreibt und ein ehemaliger Chef-Pilot von Flug-Abkürzungen erzählt - beim Klavierabend von Wempe zeigt sich: Timing ist alles

Von Philipp Crone, München

Miroslav Klose hat richtig viel Zeit an diesem Abend, und dann doch wieder nicht. Der ehemalige Fußball-Nationalspieler steht in der Grünwalder Einkehr und schaut sich etwas gehetzt um. Klose, 38, Rekordtorschütze des DFB und in München beheimatet, ist ein Beispiel dafür, dass Zeit nicht gleich Zeit ist. Es kommt darauf an, wie man sie nutzt. Klose etwa muss um 19.01 Uhr absolut nichts tun, außer mit dem Wirt des Hauses und Nachbar in Grünwald, Peter Pongratz, Champagner trinken. Wenn es aber darum geht, dass Boulevardjournalistinnen angestöckelt kommen und ihn fragen, ob er auch Klavier spielt, hat er plötzlich diesen Blick, als ob er ganz dringend auf der Anzeigetafel das Abfluggate für den Flieger suchen müsse.

Dabei ist dieser Abend ja eine Hommage an die Langsamkeit. Neben Pongratz laden das Uhren-Geschäft Wempe und der Veranstalter Philip Greffenius zur Piano-Night, und etwas Zeitloseres und Entspannenderes als herumtröpfelnde Klavierläufe gibt es wohl kaum. Dabei können die Gäste dann die Uhren im Wert von einer früheren Tagesgage von Klose bewundern, die in Vitrinen ausgestellt sind. Klose, der nach der aktiven Karriere jetzt "plötzlich sehr viel Zeit" hat, muss sich noch daran gewöhnen, wie man die nutzt. Für Frau und Kinder vor allem, die auch schon wieder dauernd auf dem Fußballplatz sind. Da ist kein Platz für Instrumente, und nachdem Klose nach sechs Jahren Keyboardunterricht bemerkt, dass davon "nichts mehr übrig" sei und er auf keinen Fall seine Finger auf die Flügeltasten legen werde, "um die Gäste nicht zu vertreiben", wird es wohl in seiner Familie eher weiter den Fußball- statt Musikvirtuosen geben.

Einen Stehtisch weiter sieht sich Robert Salzl im lila ausgeleuchteten Raum um. Unter den 200 Gästen sind viele, die sein früheres Fortbewegungsmittel häufig nutzen. Als ehemaliger Chefpilot der Lufthansa war Zeit respektive Pünktlichkeit immer entscheidend. Und um rechtzeitig anzukommen, fliegen die Piloten auch mal "querfeldein", was im Luftraum bedeutet, von den Flugstraßen nach Absprache mit der Flugsicherung abzuweichen. In den 34 Jahren hat er selbstverständlich Dutzende Fußballmannschaften geflogen, aber auch Einzel-VIPs, die "aus Diskretion" normalerweise nie besonders begrüßt werden.

Max Greger junior, selbst Pianist, hat in seinem Leben wahrscheinlich so viel am Flügel geübt wie Klose am Ball, und betont, dass Musiker normalerweise extrem pünktlich seien. Und bei Moderatorin Carolin Reiber, die selbst auf die Minute genau um 19 Uhr da ist, dann aber kurz auf ihren Sohn warten muss, geht es meist eher um Sekunden als um Minuten in ihren Sendungen. Reiber kann in Ruhe warten, die Aufmerksamkeit der Fotografen, vor denen Klose erfolgreich geflüchtet ist, konzentriert sich auf Julien Fuchsberger, Enkel des verstorbenen Schauspielers Joachim. Er hat zum ersten Mal seine Verlobte dabei, was mit Hunderten Porträtfotos für die Nachwelt dokumentiert werden muss.

Nach Saiblingsfilet an Champagnerschaum ist Klose entspannter. Er lächelt. "Ich bin sonst nie auf solchen Veranstaltungen." Aber so ein Abend in der Münchner Gesellschaft, mit Boulevard-Fragen, manndeckenden Fotografen und Mit-Berühmtheiten, bestes Klatsch-Kino also, das unterhält offenbar sogar einen so zurückhaltenden Menschen wie ihn. Wahrscheinlicher: Er prägt sich bereits die Bewegungen der Gäste ein, um beim nächsten Mal den richtigen Laufweg zu haben, das richtige Timing, vorbei an allen fragenden und abdrückenden Gegenspielern.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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