Szenario:Riesig winzig

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Poesie in der Königsloge: Die Puppenspieler des Projekts "Dundu" verzaubern das Publikum beim Bühnendinner der Staatsoper. (Foto: Florian Peljak)

Saibling, Sänger, Grinsekatze - beim Bühnendinner in der Oper werden alle Sinne der Gäste umschmeichelt

Von Jutta Czeguhn, München

Einsam wankt der sanfte, glitzernde Riese durch das Dunkel des Nationaltheaters. Es drängt ihn hinauf zur Königsloge, zu einer zweiten Lichtgestalt. Das Attacca-Jugendorchester lässt dazu die Geigen schmelzen, ein symphonisches "Somewhere" aus Bernsteins "Westside Story", Tony und Maria verzweifelt und aus Fasersträngen, fast fünf Meter hoch. Das Bühnendinner, mit dem die Bayerische Staatsoper seit sieben Jahren die Spielzeit eröffnet, beginnt am Montagabend mit einem Pas de deux des Großpuppenprojekts "Dundu". Die transparenten Glieder-Wesen, bewegt von Puppenspielern, sind das poetische Begrüßungskorps für einen Abend mit dem Motto "riesig/winzig". Einer Parole, nach der Intendant Nikolaus Bachler den eigenen hohen Anspruch ironisch umspielen lässt. Denn auch die Superlative hängt am Detail.

Nie groß genug ist die Summe, die beim Dinner an Spenden und Sponsorengeldern zusammenkommt: 300 000 Euro, mit denen die Staatsoper ihr Campus-Nachwuchsprogramm finanziell unterfüttert. Die Münchner Opernbühne ist eine der größten weltweit, und doch müssen die mehr als 500 Gäste an den bis zu 13 000 Euro teuren Zwölfer-Tischen mit elegant angewinkelten Ellenbogen den Hauch von Lachs sous vide mit Saiblingskaviar tranchieren. Caterer Dahlmann hat das Motto fein umgesetzt und intensiven Geschmack als Amuse gueule portioniert. Denn die Prominenz aus Unternehmeradel, Kultur und Society in allen Talent- und Konfektionsgrößen - Franziska van Almsick (in Schwarz), Uschi Glas (Zartgold) oder Germany's-Next-Top-Model Pia Riegel (Silber-nude) - bekommt in rasanter Menü-Folge durchweg künstlerische Hauptgänge serviert: Aus der verkleinerten Welt des Alice-im-Wunderland-Balletts ist die monstergroße Grinsekatze erschienen, die es auf den Sänger-Nachwuchs des Opernstudios abgesehen hat, der unter Mäuse-Masken schwitzt. Tenor Daniel Behle sprang großartig ein für den indisponierten Klaus Florian Vogt, der seine Stimme für die "Meistersinger" am kommenden Sonntag schonen muss. Wohlauf ist seine Eva, Sopranistin Julia Kleiter entsteigt beim Dinner einem roten Riesenherz und singt eine Lehár-Arie.

Mag in diesem Jahr das gewohnte Sänger-Weltstar-Aufgebot fehlen, so gibt es beim Tanz eine Superlative mit Neidfaktor: Statistisch gesehen müssen auch Münchner Dinner-Gäste unter den mehr als 24 Millionen sein, die das Youtube-Video geklickt haben, in dem sich Sergei Polunin zu Hoziers "Take me to Church" bewegt, besser: als brüchiger Engel schwebt. Seine geniale Kunst und die vielen Tattoos des Ballett-Stars, der sich längst hinauf in die Stratosphäre von Rudolf Nurejew und Mikhail Baryshnikov getanzt hat, erlebt das Publikum hautnah.

Münchens Staatsballett-Direktor Igor Zelensky schlüpft dann noch höchstselbst in die Tanzschuhe und gibt den am Ende gänzlich berauschten Bühnendinner-Gästen noch "One more for the road". Zu Frank Sinatras melancholischem Barsong, eine Choreografie-Suite, die einst Baryshnikov auf den Leib geschrieben wurde, tanzt Zelensky einen kleinen, riesig schönen Absacker.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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