SZenario:Nicht genug Whiskey

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Im Festsaal des Bayerischen Hofs feiert sich die Marketingbranche selbst und vergibt die "Best Brand Awards". Wie man das aushält? Mit einem singenden Hollywood-Star und einem mahnenden Portugiesen

Von Christian Mayer

Preisverleihungen haben den Nachteil, dass sie für einen großen Teil des Publikums ziemlich zäh sein können. Selbst tolerante Menschen haben nach einer halben Stunde genug von elaborierten Lobeshymnen und vorbereiteten Dankesreden - sofern sie nicht selbst zu den glücklichen Gewinnern zählen. Allein deshalb darf man den Machern der "Best Brands Awards", bei der die Marketingbranche die besten und beliebtesten Marken auszeichnet, durchaus mal gratulieren: Während der Gala im Festsaal des Bayerischen Hofs hat man zumindest teilweise das Gefühl, gut unterhalten zu werden.

Das liegt am Moderator Klaas Heufer-Umlauf, der die 700 Gäste gleich aus der Reserve lockt - mit ein paar Gags über die Internationale Sicherheitskonferenz. Gerade erst hat Angela Merkel hier den Amerikanern und den Russen die Leviten gelesen. Oder, wie es Heufer-Umlauf auf den Punkt bringt, "sie hat rasiert", wenn auch nicht mit der Edelklinge von Gillette. Apropos Putin und Co.: Wo Nord Stream seine umstrittene neue Gasröhre baue, könne den Münchnern egal sein, sie sind außerhalb der Schusslinie, "Hauptsache, der Bayerische Hof und der Dallmayr bleiben stehen". Nach dem kalauernden Beginn wird es politisch, der frühere EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hält ein leidenschaftliches Plädoyer für Europa in Zeiten des Brexit. Pointiert beschreibt er die innere Zerrissenheit der Briten, denen ihr berühmter Pragmatismus abhanden gekommen sei, und preist die Fähigkeit der EU, in Krisenzeiten doch immer noch einen Kompromiss finden zu können, manchmal auch in letzter Minute. Europa dürfe sich nicht einer pessimistischen Weltsicht hingeben, es müsse gemeinsam stark sein. Bei der Fragerunde geht es um einen weiteren europäischen Krisenkandidaten, um Italien und die Populisten in Rom. Was Barroso, sonst ganz Diplomat, offenherzig kommentiert. Italien sei schon immer das kreativste Land in Europa gewesen, das Land von Michelangelo und Leonardo da Vinci, von Ferrari und Fendi - "aber die Italiener sind auch kreativ, wenn sie die gemeinsamen europäischen Regeln brechen", sagt der Portugiese.

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(Foto: Robert Haas)

Markenpflege mit prominenter Unterstützung: Kiefer Sutherland bei der Gala im Bayerischen Hof.

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(Foto: Robert Haas)

Werbung im Doppelpack: Die Model-Zwillinge Nina und Julia Meise bei der Gala.

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(Foto: Robert Haas)

Moderator Klaas Heufer-Umlauf.

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(Foto: Robert Haas)

Der frühere EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Die "Best-Brands"-Trophäen möglichst kurzweilig, aber mit einem gewissen Quantum an Seriosität an die Leute zu bringen, das ist ein schmaler Grat. Man darf schließlich davon ausgehen, dass sich die meisten Leute im Saal selbst dann für die Besten halten, wenn sie leer ausgehen; man sollte sie auch nicht zu offensiv umschmeicheln, das tun sie selbst genug. Die Gratwanderung gelingt in der Kategorie "Beste Wachstumsmarke" nur so halb. Heufer-Umlauf verrät den Preisträger schon, bevor der Laudator ans Pult tritt: Es ist die französische Aperitiv-Marke Lillet. Die Marke habe gerade einen Lauf, vor allem bei einer weiblichen Hipster-Klientel, die offenbar gar nicht genug von den schönen Flaschen bekommt. Praktischerweise könne man den Markennamen in jedem Zustand aussprechen, zur Not auch lallend. Geradezu liebevoll geht Heufer-Umlauf mit Lego um, der "Besten Produktmarke." Lego ist eben eine erfrischend altmodische Kultmarke, beliebt bei Kindern wie Erwachsenen, die genauso wie vor fünf Jahrzehnten ihre eigene Welt damit bauen, manchmal sogar ein ganzes Star-Wars-Universum. Mit Adidas (Beste deutsche Unternehmensmarke International) und Amazon (Best Digital Life Brand) wird es dann wieder halbseriös. Den Scherz über die Potenz des Amazon-Chefs Jeff Bezos, der gerade mit seiner neuen Liebschaft die Schlagzeilen beherrscht, kann sich Heufer-Umlauf natürlich nicht verkneifen.

Es gibt ein paar dankbare Manager auf der Bühne, die feinste Marketingprosa von sich geben, vor allem aber einen richtigen Star. Kiefer Sutherland, bekannt aus Serien wie "24" oder "Designated Survivor", ist seit einigen Jahren als Musiker unterwegs. Gerne auch in Deutschland, wo das Publikum eher wenig von Country-Rock verstehe, aber erstaunlich aufgeschlossen sei, wie Sutherland erzählt. Fünf, sechs Songs spielt er mit seinem Gitarristen, in zwei davon geht es um seine Liebe zu harten Getränken: "There's not enough whiskey in the world tonight", das klingt nach durchzechten Nächten, weil Sutherland die Stimme dazu hat, keinen Lillet-Tenor, sondern einen Whiskey-Bass, und dazu passt noch die riesige blaue Sonnenbrille. Es menschelt schwer bei diesem Auftritt, zumal der Schauspieler die Geschichte seines Vaters Donald Sutherland erzählt, der ebenfalls mal ein harter Kerl war und den kleinen Kiefer und seine Zwillingsschwester eine Zeit lang mit dem Ferrari zur Schule fuhr - das Auto hatte er bei einem Pokerspiel gewonnen.

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Der Mann ist das, was viele Unternehmen gerne wären: eine Marke, die nicht nur toll aussehen will, sondern ihre Macken hat. Kiefer Sutherland trägt einen merkwürdigen Hut, irgendwas zwischen Cowboy und Flamencotänzer, aber sei's drum. Da weiß man wenigstens, über was man später an der Bar reden kann. "Nicht genug Whiskey": Stimmt ja gar nicht, was Sutherland da singt. Im Bayerischen Hof gibt es immer ausreichend zu trinken.

© SZ vom 22.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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