SZenario:Kaum Verbissschäden

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Wer im Freistaat was werden will, dem schadet der Jagdschein nicht - ein Besuch beim Jahresempfang der Jäger

Von Tanja Rest, München

Die Zeiten, in denen ein bayerischer Ministerpräsident auf dem Weg zur Hirschjagd verstarb, liegen nun schon etwas länger zurück. Günther Beckstein, Ministerpräsident a. D., behauptet sogar, dass sich das Kabinett nicht mehr ausschließlich aus Kreisen der Jägerschaft speise. Das stimmt natürlich bedenklich. Andererseits sind unter den weit mehr als tausend Menschen, die am Dienstagabend zum Jahresempfang des Bayerischen Jagdverbandes (BJV) in den Paulaner-Festsaal am Nockherberg strömen, CSU und Freie Wähler und diverse Minister in durchaus kapitalem Proporz vertreten. Also ruhig Blut: Wer im Freistaat was werden will, dem steht der Jagdschein immer noch gut zu Gesicht.

Zwei Stunden Händeschütteln: Jürgen Vocke (rechts), Präsident des Bayerischen Jagdverbandes, zeigte fast schon etwas Ministerpräsidentenhaftes. (Foto: Stephan Rumpf)

Am Eingang empfängt, umrahmt von einer Jagdkönigin und zwei Mitgliedern des Deutschen Falkenordens nebst Steinadler, BJV-Präsident Jürgen Vocke. Seit 25 Jahren ist er jetzt im Amt, das ist der zweieinhalbfache Seehofer. Und wie er da zwei Stunden lang Vertretern der Politik, des Adels, der Kirchen, der Forst- und Landwirtschafts- und Naturschutzverbände die Hände schüttelt, das hat schon fast etwas Ministerpräsidentenhaftes.

Der echte Ministerpräsident befindet sich derweil "leider in Berlin", wie er in seiner Videobotschaft mitteilt. Kritisch ist hier anzumerken: Markus Söder hat für sein Grußwort an die lieben Jägerinnen und Jäger weder ein festliches Lodengewand noch einen jagdlichen Hintergrund gewählt. Er steht im Anzug vor einer weißen Hauswand, bei der es sich im besten Fall um eine staatstragende bayerische Wand (Staatskanzlei), im nachlässigsten Fall aber auch um eine namenlose preußische Hinterhofwand handeln könnte. Einen glücklicheren Auftritt hat da Söders Stellvertreter Hubert Aiwanger. Kein Wunder, er ist selbst Jäger, in seinem 550-Hektar-Revier bei Rottenburg an der Laaber geht er mit Begeisterung auf Rehwild, Hasen und Sauen. In seiner Rede bringt er schlafwandlerisch alles unter, was das Waidmannsherz wärmt beziehungsweise in Aufruhr versetzt, sprich Verbissgutachten, Schweinepest, Jagdgesetz ("keine ideologischen Experimente!") sowie, na klar, den Wolf. "Ich sehe Bayern nicht als Wolfserwartungsland", donnert Aiwanger, "im Osten, in Russland und so weiter ist Platz genug!" Begeisterung im Saal.

Zur feierlichen Stimmung trug auch das Jagdorchester bei. (Foto: Stephan Rumpf)

Etwas leisere Töne schlägt Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm an. Er hat einerseits die Schirmherrschaft über die Veranstaltung übernommen, packt andererseits nun aber die Gelegenheit beim Schopf, dem Volksbegehren Artenvielfalt seine Sympathie auszusprechen. Ein nahezu ketzerischer Akt, wenn man bedenkt, dass ausgerechnet der BJV als anerkannter Naturschutzverein die Aktion nicht unterstützt. Die junge Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber macht dann alles wieder gut, indem sie Dirndl trägt, ihr schwungvollstes Bairisch spricht, viel Zuckerbrot verteilt und nur ein klein wenig die Peitsche schwingt. Es heiße, die Jagd werde jetzt jünger und weiblicher, sagt sie süffisant: "Aber wenn ich mich heute hier umschaue, gibt es noch einiges zu tun." Der eine oder andere ältere Herr zuckt.

Ein paar Reden und Jagdhornbläser später ist das Büfett eröffnet, und der Zufall will es, dass man über die Fraktion der Grünen stolpert. Sie haben an einem Stehtisch Platz gefunden, es sind ihrer vier. "Ich habe nichts gegen die Jagd", sagt der Landtagsabgeordnete Christian Hierneis: "Wild ist bio - wenn es für den Verzehr geschossen wird, finde ich das völlig in Ordnung." Gut, das Volksbegehren und die Sache mit dem Wolf, da sei man natürlich anderer Meinung als der BJV. "Wir sind da im Dialog." Die Jäger ignorieren, sagt er fröhlich, das könne man sich in Bayern schlichtweg nicht leisten.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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