SZenario:Der Sound der Straße

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100 Hertz, so stellt sich Giorgio Moroder, der nun Werbung für einen Motorenbauer macht, den idealen Klang eines Antriebs vor. (Foto: Stephan Rumpf)

Warum Giorgio Moroder für eine Motoren-Firma arbeitet

Von Philipp Crone

"Keine Ahnung", sagt Giorgio Moroder und sieht sich um. Ob jemand anderer die Frage beantworten kann? Vielleicht einer der Männer, die in knallroten Pullovern durch den Saal laufen? Davon gibt es einige am Montagabend im Technikum am Ostbahnhof. Auf die Jacken ist FPT gestickt, der Name eines italienischen Herstellers von Großmotoren. Für die arbeitet Moroder nun. Die Frage war: Was soll der Produzent und Musiker denn eigentlich für das Unternehmen machen? "Keine Ahnung", sagt Moroder also und damit ist zumindest geklärt, was dieser Abend nicht wird: eine plumpe Werbeveranstaltung. Es könnte vielmehr ein Abend werden, an dem man erfährt, wie sich Moroder den Sound der Zukunft vorstellt. Denn auch wenn der Oscar-Preisträger, der gerade in Deutschland auf Tour ist, kein gelernter Motorenentwickler ist, weiß er immerhin, dass diese Geräte bald ganz elektrisch sein werden und gar keine Geräusche mehr von sich geben. Sondern? Moroder-Tracks abspielen beim rhythmischen Tippen aufs Gaspedal? "Auf gar keinen Fall!" Der ergraute Mann spricht im leichten Südtiroler Slang seiner Heimat, und man muss nur "Musicland-Studios" sagen, schon ist er tief drin in der Vergangenheit, bevor es um die Sounds der Zukunft geht.

Es ist ganz egal, was Moroder erzählt, er hört sich immer an wie ein Live-Track von Daft Punk. Das Elektro-Duo hat ihm 2013 einen Song gewidmet, darauf spricht er über seine Musik. "Ich habe das auch gemerkt", sagt Moroder ganz moroder-sonor, "dass mich die Leute jetzt an der Stimme erkennen." Für jemanden, der hinter das Mischpult ging, weil er der Meinung war, nicht gut singen zu können, eine interessante Entwicklung. Wobei das mit dem Mischpult ja auch keine schlechte Idee war.

Anfang der Siebzigerjahre eröffnete Moroder in München eben die Musicland-Studios, wo bald die Rolling Stones, Electric Light Orchestra, Elton John, Queen oder Led Zeppelin ihre Platten aufnahmen. Den sogenannten "Sound of Munich" prägte er dann mit Sängerin Donna Summer, mit der er "I Feel Love" aufnahm. Das Lied produzierte Moroder abgesehen vom Gesang nur mit Synthesizer. Seitdem gilt er als Pionier der elektronischen Tanzmusik. Aber wenn er nun ebensolche nicht in einen Motor einbauen will und keine Ahnung hat, warum die Firma ihn engagiert hat, worum geht es dann an diesem Abend in München?

Nach und nach treffen italienische Bauma-Besucher ein und besetzen die weißen Loungesessel. Auf der Bühne stehen ein DJ-Pult, hinter dem Moroder später auflegt, und ein weißer badewannengroßer Kasten mit dem Aufdruck "Curser X". Das sei eine Motorenstudie, sagt einer von den Rotgekleideten, ein kleines Elektrokraftwerk. Moroder hat mal ein Auto mitfinanziert, die Cizeta V 16 T, mit 16 Zylindern. Ansonsten ist er hier so ahnungslos von Großfahrzeugantrieben wie die mit Häppchen vorbeilaufenden Kellner.

Der schönste Sound der Straße? Der ideale Sound eines Motors? "Schön tief, hundert Hertz", ein starkes Brummen, "dass die Hunde davonlaufen". Moroder lächelt. Er sieht sich nicht in der Fahrzeugentwicklung. Ob er denn wenigstens ein Navi besprechen würde? "Wenn man mich bezahlt." Wieder ein Lächeln. Es ist ein Hinweis darauf, wie wohl Moroder und die Motorenmenschen zusammenkamen und dass Kooperation der falsche Begriff ist, eher stimmen würde Werbeträger.

Letzte Frage: Wohin würde der Navi-Moroder den Fahrer eigentlich schicken? "Na, als erstes in eine Diskothek!"

© SZ vom 10.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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