SZenario:Der Held vom Erdbeerfeld

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Mittelmäßiges Gekreische, kurzes Winken in die Handy-Kameras: Popstar Robbie Williams präsentiert in München seine Sweatshirt-Kollektion

Von Christiane Lutz

Die Sache mit den Erdbeer-Shorts lässt sich nicht klären. Sorry, keine Fragen mehr. Wichtige Menschen gucken sehr, sehr streng, Robbie Williams und seine Frau Ayda Field verschwinden wieder. Gerade haben sie und ihr Hund eine eigene Marc O'Polo Kollektion in den Fünf Höfen präsentiert: Erdbeer-Boxershorts. Gut, vor allem Hoodies in hellgrau und rosa, auf denen groß der Name des Labels prangt. Gleich soll es weiter nach draußen gehen, wo Robbie, dann ohne Hund, noch das Schaufenster feierlich enthüllen soll. Auf der Theatinerstraße haben sich rund 200 Menschen versammelt. Frauen vor allem, die ihre Mittagspause opfern, um einen Blick auf den Mann zu erhaschen, in den sie 2003 verliebt waren, bevor sie ihren Ehemann kennenlernten. Dauert aber noch.

Was sich zuvor drinnen abspielte: Auf dem Werbefoto von Peter Lindbergh sieht man die Williams in ehelicher Eintracht auf einer Couch lümmeln. Sie mit übernatürlich glatten nackten Beinen, er mit einem fast aufgezippten Hoodie, den Blick des Betrachters auf seine Männerbrust lenkend, den eigenen melancholisch in die Ferne gerichtet. Und drunter diese Erdbeer-Shorts. Wahrscheinlich ist die Botschaft simpel. Der Mann, der Erdbeere trägt, sagt: Ich bin verspielt und nehme mich nicht allzu ernst. Selbstironie und Humor waren immer Williams' Stärke.

Gut, ein eher genitalorientierter Humor. "Du kannst dir in diesen Hosen bequem die Eier kraulen", sagt er auf die Frage, warum er heute eben diese Hosen trage. Tatsächlich aber krault er fast durchgehend den Hintern seiner Frau Ayda. Die lächelt tadelnd: "Humor ist ein wichtiger Teil unserer Beziehung", sagt sie. Und das muss wohl so sein, sonst würde man es wahrscheinlich nicht aushalten. Robbie Williams ist schließlich einer der wenigen Popstars, die auch 2017 noch völlig ironiefrei Brüste signieren. "Alles fit im Schritt?", ruft er den Reportern zu. Passt schon, bisschen heiß halt.

Derzeit ist Robbie Williams mit seinem neuen Album "The Heavy Entertainment Show" auf Europatour. Sämtliche großen Stadien stehen auf dem Plan, am 22. Juli spielt er im Münchner Olympiastadion. Eine gigantische Konfettischleuderei mit dem einzigen Zweck, Williams als den weltgrößten Entertainer zu präsentieren. So wie damals, 2003, als er sich an drei Abenden im britischen Knebworth vor insgesamt 400 000 Menschen von der Bühnendecke abseilte. Gerade hatte er das großartige Album "Escapology" veröffentlicht, jegliche Take-That-Schmach war einer gigantischen Dominanzpose gewichen. Er hatte es geschafft. Wer auf einem Konzert von 2003-Robbie war, konnte viel Spaß haben. 2017-Robbie hingegen hat zwei Kinder und lebt ein nach eigenen Angaben eher gemäßigtes Leben in Los Angeles. Wahrscheinlich hätte 2003-Robbie keine Sweatshirts designt. Keine Zeit, weil irgendeine Party, irgendeine Frau. Der größte Konkurrent von 2017-Robbie ist dieser 2003-Robbie. Denn alles, was nach 2003 kam, schmeckte zunehmend wie eine draußen stehen gelassene Torte. Und Williams wirkte wie einer, der diese Torte lieber essen möchte als zu singen. An das Entertainen klammert sich der inzwischen 43-Jährige zwar wie an einem Adelstitel fest, aber die ganz große Party, die ist vorbei. Da bleibt einem ja nur das Brüstesignieren.

Und eben die kleinen Freuden des gemäßigteren Lebens, das Sweatshirt-Designen zum Beispiel. Vor dem Marc O'Polo Store schwitzen die Wartenden weiter der Williamschen Enthüllung entgegen. Ein paar gehen heim, weil das dann doch "zu blöd" sei, jetzt hier bei 30 Grad herum zu stehen. Eine Frau hat über einen Radiosender ein Treffen mit Robbie gewonnen. Sie ist nicht mehr sicher, ob sie angesichts ihrer Deoleistung den ursprünglichen Plan, Robbie auf ihrem Rücken als Vorlage für ein Tattoo signieren zu lassen, noch verfolgen will. Endlich treten Williams und Field aus dem Shop, mittelmäßiges Gekreische, kurzes Winken in die Handy-Kameras. Ratsch, ist das Papier vor dem Schaufenster zerrissen und Familie Williams auch schon wieder verschwunden. Vermutlich schwitzt Williams in seinem Sweatshirt noch mehr als die Fans. "Jetzt haben wir das auch mal gemacht", sagt eine Frau.

Wahrscheinlich wird Robbie Williams in ein paar Jahren seinen eigenen Vergnügungspark haben. Das ultimative Entertain-Land, in dem seine Fans auf Achterbahnen einfahren und er bis in alle Ewigkeit lustig bedruckte Unterwäsche tragen kann. Es wäre ihm zu wünschen.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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