SZ-Serie: Unbezahlbar schön:"Wenn die Kinder groß sind, ziehen wir zurück in die Stadt"

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Glücklich im eigenen Garten vor der Stadt: Familie Hemmelmann. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Familie Hemmelmann suchte ein Jahr lang vergeblich eine größere Wohnung in Haidhausen - und wohnt jetzt in Baldham

Protokoll von Barbara Hordych, Haidhausen

Schon als Sally Hemmelmann und ihr Mann Jan am Haidhauser Johannisplatz ihre 84-Quadratmeter-Wohnung bezogen, war klar, dass dies nicht für die Ewigkeit halten würde. Sally Hemmelmann erklärt, warum sie inzwischen mit Sack und Pack nach Baldham gezogen ist.

"Wir wohnten acht Jahre lang in einer schönen Altbauwohnung am Johannisplatz in Haidhausen, direkt gegenüber der Johanniskirche. Zunächst nur mein Mann Jan und ich, später kamen unser heute sechsjähriger Sohn Linus dazu, schließlich noch unsere Tochter Ilvie, die jetzt 14 Monate alt ist. Sie ist ein Wunschkind, aber es war von Anfang an klar, dass unsere 84-Quadratmeter-Wohnung auf Dauer nicht für uns Vier ausreichen würde. Zwischen unseren Kindern liegen fünf Jahre, und wir sagten uns, wenn Linus in die Schule kommt, dann müssen wir umgezogen sein, damit er ein eigenes Zimmer hat und Ruhe für seine Hausaufgaben.

Wir wollten aber gerne in der Stadt bleiben, am liebsten auch in Haidhausen, weil wir diesen Stadtteil immer sehr geliebt haben. Linus hatte ganz in der Nähe einen Platz in einer tollen Elterninitiative, mit vielen befreundeten Kindern, dort bringe ich ihn auch jetzt noch jeden Morgen hin, in seinem letzten Kindergartenjahr, obwohl wir inzwischen nach Baldham gezogen sind. Wir hatten auch einen sehr freundlichen und sozial denkenden Vermieter, der alle Wohnungen im Haus bevorzugt an Familien vergeben hat; wir haben unsere Wohnung damals auch nur bekommen, weil wir sagten, wir wollen in Zukunft gerne Kinder haben. Natürlich wären wir am liebsten in dieser netten Hausgemeinschaft geblieben, aber die größeren Wohnungen, die es im Haus gibt, sind bereits an Familien mit ein oder zwei Kindern vermietet.

Also haben wir uns auf die Suche gemacht und dachten zunächst, das könne nicht so schwer sein. Mein Mann ist als Maschinenbau-Ingenieur fest angestellt, ich bin Pflegepädagogin, zur Zeit aber nicht berufstätig. Wir wollten eine Wohnung von 100 Quadratmetern an aufwärts und haben uns eine Mietpreisobergrenze von 2000 Euro gesetzt. Aber wir haben ein Jahr lang vergeblich gesucht.

Das fing schon damit an, dass alle Wohnungsinserate in dieser Größenordnung für ein Paar oder für ein Paar mit höchstens einem Kind ausgeschrieben waren. Wenn wir uns mit unseren zwei Kindern dort gemeldet haben, hat uns überhaupt niemand zurückgerufen, weder ein Makler noch ein Vermieter. Die einzigen Anrufe, die wir bekamen, waren von Bekannten, die wissen wollten, wann unsere Wohnung frei würde und ob sie sie anschauen könnten. In der ganzen Zeit haben wir schließlich nur zwei Wohnungen besichtigen dürfen - die aber gleich mit 70 anderen Bewerbern zusammen. Es gab auch Wohnungsangebote, die so teuer waren, dass wir uns sagten, nein, das hat keinen Sinn, für das Geld können wir uns auch ein Haus im Umland von München mieten. Also haben wir parallel angefangen, dort zu suchen. Jetzt wohnen wir seit fünf Monaten in einer Doppelhaushälfte mit Garten in Baldham, auf 200 Quadratmetern, und natürlich hat das auch viele Vorteile: Man kann die Kinder einfach mal rauslassen, in den Garten oder zum Fahrradfahren in den Hof. Ich muss Ilvie oder die Einkäufe nicht drei Stockwerke hoch tragen wie früher. Die Grundschule, in die Linus von September an gehen wird, ist nur fünf Minuten zu Fuß entfernt. In der Nähe ist auch eine S-Bahn-Station, in 20 Minuten bin ich in München. Natürlich ist das mit den Verabredungen schwerer geworden, die Kontakte verlagern sich mehr auf das Wochenende, dann nehme ich einen Freund von Linus mit hinaus nach Baldham.

Aber kaufen wollten wir hier draußen nichts. Weil wir uns gesagt haben, wenn die Kinder groß sind, ziehen wir zurück in die Stadt. Ich kenne inzwischen vier oder fünf Familien aus Haidhausen, denen es genauso ergangen ist wie uns. Die auch lange vergeblich gesucht haben und nun weggezogen sind aus der Stadt.

Gentrifizierung, die Verdrängung oft langjährig ansässiger Menschen aus ihren Vierteln, ist nicht immer die Geschichte vom bösen Spekulanten. Oft gibt es auch andere Ursachen. Im Ergebnis aber wiederholen sich die Phänomene: Münchner ziehen aus der Innenstadt weg, wechseln in kleinere, bezahlbare Wohnungen oder verlassen die Stadt, die sie sich nicht mehr leisten können. Mit dem Problem befasst sich ein SZ-Forum am Mittwoch, 24. Juni, von 19 Uhr an in der Freiheiz-Halle, Rainer-Werner-Fassbinder-Platz 1. Am Donnerstag lesen Sie, mit welchen Instrumenten die Stadt selbst auf den Wohnungsmarkt einzuwirken versucht.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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