SZ-Serie: Münchner Schmuckkunst, Folge 8:Hüter der Geheimnisse

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Takayoshi Terajima überträgt japanische Tradition in seinen Schmuck

Von Ira Mazzoni, München

"Mit Heimweh hat das nichts zu tun", sagt Takayoshi Terajima mit Blick auf seine spannungsvoll gedrehten Tatami-Armbänder. Aber er will mit seinem Schmuck die "guten Verbindungen" zu seiner Heimat und ihren Traditionen aufrechterhalten. Er reicht einen Armreif über den Tisch und meint man solle einmal daran riechen. Er möge diesen Geruch des getrockneten Igusa-Grases sehr. Der Geruch des dichten Binsengewebes ist sehr fein, etwa wie Heu. Er soll beruhigend wirken. In jedem Fall ist es ein Geruch, der zutiefst mit der japanischen Kultur verbunden war. Tatami, das sei das alte Japan, sagt Takayoshi Terajima. Sein Elternhaus sei noch ganz von den Binsenmatten geprägt. Stolz erzählt er, dass seine Familie seit 15 Generationen Reisbau betreibt. Dass er aus der Familientradition ausgeschert ist, haben die Eltern wohlwollend akzeptiert. Er müsse seinen eigenen Weg gehen.

Der Armreif aus Igusa-Gras verströmt einen feinen Geruch und erinnert Takayoshi Terajima an die Binsenmatten im Hause seiner Eltern. (Foto: Takayoshi Terajima)

Takayoshi Terajima hat an der Tokio Universität der Künste traditionelles Metallhandwerk studiert. Er ist auf Gravuren spezialisiert. Während des Studiums kam er das erste Mal durch ein Referat mit Autorenschmuck in Berührung - und fing Feuer. Er bewarb sich an der Akademie der Bildenden Künste in München und studierte bei Otto Künzli und Karen Pontoppidan. Auch dort bekam er den Rat, seinen eigenen Weg zu finden. "In Japan gibt es keine Schmuck-Tradition. Ich wollte unbedingt diese europäischen Dinge machen: Ketten, Broschen, Ringe. Aber die Ergebnisse waren irgendwie langweilig", berichtet der Künstler im Rückblick. Auf den Master in Tokio folgte 2018 das Diplom in München mit einer Arbeit, die beide Kulturen in Beziehung setzt. "Omamori" hat Takayoshi Terajima seinen Zyklus getauft. Wie die Japanischen Talismane, die man in der Hoffnung auf besonderen Schutz in Shinto-Schreinen und buddhistischen Tempeln erwerben kann. Omamoris bestehen üblicherweise aus bestickten Stoffbeutelchen unbekannten Inhalts. Man darf sie nicht öffnen und deponiert sie zu Hause oder steckt sie in die Tasche.

Takayoshi Terajima. (Foto: privat)

Der Metall-Spezialist hat für seine Omamoris Kupferbleche zugeschnitten, mit Zink- und Emaillepulver beschichtet und unterschiedlich lang gebrannt. Das Ergebnis verblüfft, kein Blech gleicht in Farbe und Oberflächenstruktur dem anderen. Durch rückseitige Ritzungen kann das mit einer Öse versehene Blech zu einem Schächtelchen gefaltet und an einer langen Schnur um den Hals getragen werden. Wer sich so ein Amulett auswählt, soll mit einer Sache, an die er Hoffnungen oder besondere Erinnerungen knüpft, vertrauensvoll zum Künstler kommen, der das Omamori fachgerecht um die Sache herum verschließt und fortan komplizenhaft das "Geheimnis" bewahrt. "Mir ist wichtig, dass ich den Schmuck nicht alleine fertig machen kann," betont Takayoshi Terajima. "Ich brauche einen Bezug zu den Menschen, die den Schmuck auswählen. Die beziehungsreiche Arbeit war so überzeugend, dass das Schmuckmuseum Pforzheim eins der ersten Omamoris für die Sammlung erwarb. 21 weitere Schmuckaffine ließen sich bisher auf den verschwörerischen Dialog mit dem Künstler ein.

Die Kupferbleche der Omamoris umschließen später einen Talisman. (Foto: Takayoshi Terajima)

Takayoshi Terajima ist seitdem seiner Strategie, alte japanische Kulturpraktiken in den westlichen Schmuckkontext zu transferieren, treu geblieben. Die von einem Freund überlassenen Tatami-Abschnitte hat er gekocht, gedreht, geschlitzt und wieder gekocht. Nach zig Fehlversuchen, fand er endlich eine Methode, das starre Binsengewebe wie ein Handtuch zu drehen und so zu trocknen, dass es in einer formstabilen Spannung bleibt. Durch die offenen Enden können Frauen wie Männern das Tatamiband mühelos überstreifen. Am Handgelenk wirkt der anliegende Reif kühl. Auf den ersten Blick könnte man ihn für ein Schweißband halten. Erst auf den zweiten Blick gewahrt man die skulpturalen Qualitäten.Inzwischen traut sich Takayoshi Terajima auch an eine Perlenkette. Mit der Geburt seiner Tochter im vergangenen Jahr, hatte er die Idee, eine Endloskette zu fertigen, zu der jede Generation etwas beisteuert. Er bat seine Eltern um Haare, nahm die eigenen und die seiner Frau und formte sie zusammen mit dem geschmeidigen Urushi-Lack zu schwarzen, unregelmäßigen Perlen. Haare und Urushi, erklärt der Künstler, überdauern gut 4000 Jahre. Wenn seine Tochter erwachsen wird und einen Partner findet, kann sie der Familien-Kette eine weitere Perle zufügen.

© SZ vom 28.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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