SZ-Serie: Große Tiere:Tödliche Expedition

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Cyanopsitta spixii ist eine der seltensten Papageienarten - der Zoologe Johann Baptist Spix fing den Vogel in Brasilien

Von Hans Holzhaider

Als die Reisenden am Abend des 30. März 1819 die Ortschaft Joazeiro im Tal des Rio de Sao Francisco erreichten, hatten sie entsetzliche Strapazen hinter sich. Sie waren nun schon fast zwei Jahre unterwegs. Am 10. April 1817 waren sie an Bord der Fregatte "Austria" aus dem Hafen von Triest gesegelt. Schon am nächsten Tag hätte ein Hagelsturm der Reise fast ein frühes Ende gesetzt. Am 10. Juli setzten der Zoologe Johann Baptist Spix und der Botaniker Carl Friedrich Martius, die vom bayerischen König Maximilian I. den Auftrag zur Erkundung der Fauna und Flora Brasiliens erhalten hatten, am Kai von Rio de Janeiro ihren Fuß auf südamerikanischen Boden.

Am 18. Februar 1819 brachen Spix und Martius von Salvador de Bahia zur gefahrvollsten Etappe ihrer Expedition auf. Der Weg führte sie durch die trockene Dornensavanne der Caatinga, wo es zum Teil seit Jahren nicht geregnet hatte. Mit ihrer Maultierkarawane waren die Reisenden mehrmals dem Verdursten nahe. "Wir leckten den Tau von den kahlen Granitplatten", schreibt Spix in seinem Reisebericht. "Menschen und Tiere waren von der ungeheuren Anstrengung erschöpft, aber die Sorge für den folgenden Tag ließ uns nicht schlafen." Fieberanfälle und krampfartiger Husten quälten die Naturforscher. "In Wahrheit", schrieb Spix, "wir bringen an unserer Gesundheit ein großes Opfer, ohne von den Lebensgefahren durch Schlangen, Oncen (Raubkatzen), giftigen Tieren und Kräutern sprechen zu wollen."

Johann Baptist Spix starb an einer Tropenkrankheit. (Foto: Isser)

Dann aber, am 30. März, die Erlösung: "Die sinkende Sonne rötete eben die Gipfel der Bäume, als wir plötzlich von dem abgebrannten, lebensarmen Boden auf eine üppige, grüne Decke von Gras und Blumen herüberschritten. Frische Lebensdüfte empfingen uns, blühende Acacien, der Maribaum mit goldgelben Früchten verkündeten die Nähe des heilbringenden Stromes."

Hier, im Tal des Rio de Sao Francisco, beobachte Spix einen blauen Papagei mit hellem Kopf und schwarzem Schnabel, den er, seiner Farbe wegen, zunächst "ara hyacinthinus" nannte. Der Balg, den er in einer der mit zahllosen Tier- und Pflanzenpräparaten vollgestopften Kisten mit nach München brachte, liegt noch heute in der Zoologischen Staatssammlung. Als Spix' Assistent Johann Georg Wagler 1832 den blauen Ara klassifizierte, stellte sich heraus, dass die Bezeichnung "hyacinthinus" als Artname für einen Papagei schon vergeben war, und so benannte er die Art nach ihrem Entdecker: Cyanopsitta spixii.

Damals wusste man noch nicht, dass der Spix-Ara eine der seltensten Papageienarten ist. In freier Natur wurde er nur im Tal des Rio de Sao Francisco und seiner Nebenflüsse beobachtet. Nur dort gab es genügend alte, hohe Caraibeira-Bäume, die der Spix-Ara zum Brüten braucht. Die zunehmende Besiedlung zerstörte die Lebensgrundlage des seltenen Vogels, und je seltener er wurde, desto höher stiegen die Preise auf dem internationalen Schwarzmarkt. 1990 fristete nur noch ein einziges Männchen sein trauriges Dasein in freier Wildbahn. Der Versuch, ihm ein Weibchen zuzuführen, schlug fehl: Die designierte Partnerin ließ ihr Leben an einer Hochspannungsleitung. In seiner Not paarte sich das letzte Spix-Ara-Männchen mit einem Rotrücken-Ara, aber daraus entstand kein Nachwuchs. Im Jahr 2000 wurde der einsame Cyanopsitta spixii zum letzten Mal beobachtet; seither gilt die Art in freier Wildbahn als ausgestorben.

Nur in Gefangenschaft hat Cyanopsitta spixii überlebt. Die größte Population mit mehr als 60 Exemplaren gibt es im arabischen Emirat Katar. Auch ein deutscher Verein, die "Association for the Conservation of Threatened Parrots" (ACTP) im brandenburgischen Schöneiche kümmert sich um den Spix-Ara. Zwei Vögel aus Schöneiche werden derzeit in Brasilien auf die Auswilderung vorbereitet.

Im Juni 1820 segelten Spix und Martius von Belem aus zurück nach Europa. Sie brachten Präparate von 6500 Pflanzen, 2700 Insekten, 85 Säugetieren, 350 Vögeln, 150 Amphibien und Reptilien und 116 Fischen mit nach München. König Max erhob Spix in den Adelsstand und ernannte ihn zum Ritter. Aber von den Strapazen in Brasilien erholte er sich nicht mehr. Am 13. Mai 1826 starb er, 45 Jahre alt, an einer nicht definierten Tropenkrankheit. Ein Straßenname in Giesing und ein Denkmal in seiner Heimatstadt Höchstadt/Aisch erinnern an ihn.

Am Montag lesen Sie: Waglers Lanzenotter

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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