SZ-Serie: Bühne? Frei!:Ein Tönchen pro Tag

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Andreas Martin Hofmeir, 1978 geboren, war Mitglied von "Labrassbanda", ist Professor am Salzburger Mozarteum und arbeitet als Solist, Kammermusiker und Kabarettist. (Foto: Philippe Gerlach)

Kultur-Lockdown, Tag 38: Der Tubist schwärmt von den gemächlichen Zeiten

Von Andreas Martin Hofmeir

Eigentlich darf ich mich nicht beschweren. Wer sich entscheidet, hauptberuflich Tubist zu werden, der sucht nicht Beschäftigung, der sucht Ruhe. Gemütlich im Orchestergraben sitzen, den anderen dabei zuschauen, wie sie sich einen Wolf fideln, das ist unsere Bestimmung, unsere Berufung. Dass ich von diesem hehren Ziel abgekommen bin, ist mir heute noch unerklärlich. Immerhin habe ich nach meinem Abschied aus dem Orchester bei den Auftritten mit Labrassbanda zumindest auf jede unnötige Bewegung auf der Bühne verzichtet. Da lasse ich mir nichts nachsagen. Aber als Solist fiel mir der schlechte Aufwand-Nutzen-Koeffizient dann aber schon unangenehm auf. So viele schwere Töne in so kurzer Zeit, das ist eines Tubisten wirklich nicht würdig. Insofern kann ich nur froh sein, dass es mich jetzt ausgebremst hat. Back to the roots sozusagen. Und wenn man der landläufigen Meinung Glauben schenken darf, dass eh nur der Künstler wird, der sich vor echter Arbeit drücken möchte, dann haben wir jetzt paradiesische Zustände!

Einfach faul zuhause rumliegen, von den ersparten Reichtümern jeden Tag Nudeln mit einer fetten Tomatensoße essen, die Briefe von der Bank nicht aufmachen und sich von den Spotify-Ausschüttungen eine Briefmarke für den nächsten Antragsversuch von irgendeiner staatlichen Unterstützung zu kaufen. Und die Politik hat ja recht: Wie soll sie bitte der Familie Quandt erklären, dass sie wegen dieses bisschen Kurzarbeit bei BMW auf Dividendenausschüttungen für die Familie verzichten soll, nur damit im Fraunhofertheater übernächstes Jahr noch jemand Dudelsack spielt?

Ich glaube, es ist Zeit, den Begriff Systemrelevanz näher zu erläutern. Für Systemrelevanz braucht man drei Dinge, oder zumindest eins von den dreien: eine Lobby, eine Tätigkeit in einer Branche, die jederzeit auch in oder von Billiglohnländern ausgeführt könnte, sowie ein (richtiges) Parteibuch. Trifft alles zu auf: Luftfahrt, Industrie, Tourismusanbieter. In der Kulturszene gilt ersteres und letzteres als ausgeschlossen. Und dass die Chinesen den deutschen Kleinkunstmarkt fluten wollen, da fehlt wohl allein der Glaube. Nicht lukrativ genug. Menschen, die so etwas machen, aus purer Leidenschaft, denen muss man nicht helfen. Der Mozart ist auch arm gestorben, und es hat ihm nicht geschadet.

Wie heißt's im Sprichwort: Unkraut vergeht nicht. Gerade noch wegen der Kündigung der Mietwohnung bei den Eltern verkrochen, morgen schon wieder auf der Bühne, viel schneller, als uns lieb ist. Und dann ist's wieder vorbei mit der wunderbaren staden Zeit. Und dann werden sie merken: Musik, Theater, wer hat denn für so was noch Zeit? Nur das Gesindel, das nix arbeitet. Kultur ist Privatvergnügen, das handhaben's in den USA schon immer so. Und? Haben die vielleicht ein gesellschaftliches Problem? Wenn Sie mich fragen: Gut, dass bei uns jetzt endlich ausgesiebt wird. Die Trümmerfrauen haben ja auch nicht Ballett getanzt. Aufbauen heißt's jetzt. Eine Kriegskasse ist nix für Schöngeister. Das Wirtschaftswunder, war das etwa ein Buch von Günther Grass? Sehen Sie? So, und jetzt geh ich mal wieder einen Ton auf meiner Tuba spielen. Oder morgen.

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© SZ vom 09.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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