SZ-Nacht:Das Ringen um Worte und Wahrheit

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In der Nacht der Autoren berichten Journalisten der Süddeutschen Zeitung über ihre Arbeit, die manchmal schwieriger geworden ist - und die auch schon mal mehr an einen Krimi erinnert.

Von Lea Deuber

Kein Computer, kein Handy. Nur eine Wegwerf-Sim-Karte für die wenigen Tage. Im Hotel wird nichts gegessen. Das Wasser hat er sich in Flaschen aus Deutschland mitgebracht. Wenn Bastian Obermayer von seiner Reise im Juni nach Russland erzählt, fühlt sich so mancher Zuhörer an einen Krimi erinnert, nicht an Journalismus. Kurz vor der Fußball-WM war der Journalist für die Süddeutsche Zeitung in die russische Hauptstadt gereist, um den Whistleblower Edward Snowden zu interviewen, der dort im Exil lebt.

Eine "neue Realität", nennt Obermayer die Sicherheitsmaßnahmen, die er bei solchen Recherchen ergreifen muss. Unter dem Titel "Von Autobomben und Auftragskillern" diskutierte der Ressortleiter für Investigative Recherche am Samstagabend mit seinem Kollegen Hannes Munzinger und SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach über den steigenden Druck auf Journalisten in Europa und die schwierigen Bedingungen, unter denen er mit seinen Kollegen arbeitet.

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Der US-Whistleblower Edward Snowden kritisiert die Bundeskanzlerin dafür, dass ihm Deutschland kein Asyl gewährt. Beim SZ-Gespräch in Moskau spricht er über seinen Alltag und nennt die Putin-Regierung "in vielerlei Hinsicht korrupt".

Die Diskussion war Teil der Nacht der Autoren, bei der die Leser der Süddeutschen Zeitung zum zwölften Mal die Möglichkeit hatten, die Redakteurinnen und Redakteure hinter den Geschichten kennenzulernen. Insgesamt 1500 Besucher kamen zu den 33 Veranstaltungen an sechs Orten mit Themen wie der Wohnungsnot in München oder dem Recherchieren in der Hacker-Szene. Und wie immer wurden die besten Streiflichter vorgelesen.

Im Literaturhaus, einen Fußmarsch entfernt von der Diskussion in der Allerheiligen-Hofkirche, nahmen sich die Digitaljournalisten Mirjam Hauck und Simon Hurtz Sätze vor, die in fast jeder Diskussion über das Internet auftauchen und - glaubt man den Autoren - eigentlich immer falsch seien. Darunter die Mythen, wonach Smartphones süchtig machten, Facebook und Google die Daten ihrer Nutzer verkaufen würden und künstliche Intelligenz tatsächlich intelligent sei. Wobei die Meinungen darüber geteilt waren. Ein Leser im Publikum wandte ein, er habe gerade - auf seinem Smartphone - recherchiert, dass die Nutzung der Geräte am Steuer inzwischen Unfallursache Nummer Eins im Straßenverkehr sei und er deshalb durchaus von einem Suchtpotenzial spreche könne.

Zuletzt zeigte Hauck die Entwicklung der Handy-Werbung anhand von Anzeigen: So wurde das Handy mit Antenne und fünf Kilo Gewicht zunächst nur als Produkt für Geschäftsmänner beworben (maximal 184 Rufnummern ließen sich Anfang der 1990er speichern) und erst später auch als begehrenswert für Frauen. Der Handyhersteller Nokia verbaute die Geräte beispielsweise in Lidschattendöschen, damit sie auch in die Handtasche passten.

Politischer ging es bei der Diskussionsveranstaltung zur Bayern-Wahl zu. Unter dem Titel "Die CSU am Abgrund?" berichteten Roman Deininger, Lisa Schnell und Wolfgang Wittl über ihren Blick auf die CSU, Markus Söder und warum sie bei der Berichterstattung über die SPD häufiger mal den Namen der Spitzenkandidatin wiederholen müssen - denn Natascha Kohnen kennt kaum jemand. Eine Frage aus dem Publikum galt dem Umgang mit Umfragen, die Leser bei ihrem Wahlverhalten beeinflussen könnten. Lisa Schnell erklärte, dass man sich kurz vor der Wahl mit der Veröffentlichung von Umfragen zurückhalte. Roman Deininger ergänzte, dass bei der "Talfahrt der CSU in der Wählergunst" in den vergangenen Wochen der Nachrichtenwert größer gewesen sei, als bei Verschiebungen von einem oder zwei Prozent. Deshalb sei auch stärker berichtet worden.

In der Allerheiligen-Hofkirche waren auch die in Malta ermordete Bloggerin Daphne Caruana Galizia und der in der Slowakei getötete Ján Kuciak ein Thema. Obermayer, der eben erst von einer Recherche in Malta zurückgekommen war, berichtete, dass im Fall von Caruana Galizia zwar seit Ende vergangenen Jahres der Tathergang klar sei. "Doch man gewinnt den Eindruck, dass die Regierung in Malta gar nicht wissen will, wer dahinter steckt." Das Klima gegenüber Investigativjournalisten habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert, so auch Chefredakteur Wolfgang Krach: "Eine für die Demokratie gefährliche Entwicklung."

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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