SZ-Kultursalon:Ein Pakt mit der Kunst

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Der Maler und Bühnenbildner Philipp Fürhofer spricht in Berlin über seine Arbeit und seine Herztransplantation

Von Barbara Hordych

"Wir speichern uns virtuell ins Unendliche, verdrängen das Körperliche, sterben aber nach wie vor an Virus und Herzinfarkt" - mit diesen Worten umriss der Künstler Philipp Fürhofer beim SZ-Kultursalon die Situation des heutigen Menschen im Zeitalter der Digitalisierung - und in den Zeiten der Pandemie. Susanne Hermanski, Leiterin der Kulturredaktion München und Bayern, hatte den aus Augsburg stammenden Maler und Bühnenbildner, der inzwischen in Berlin lebt und arbeitet, zu der Veranstaltung geladen. Die fand am Dienstagabend nicht an einem Kulturort in München, sondern erstmals in der Hauptstadt statt. Unter den Linden, auf der Terrasse des Palais Populaire, erhielten coronabedingt 50 Zuhörer an einem hochsommerlich warmen Abend einen Einblick in die Bandbreite von Fürhofers Schaffen als Maler, Ausstellungsgestalter und Bühnenbildner.

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(Foto: Georg Seitz)

Auf der Terrasse des Palais Populaire in Berlin diskutierten Philipp Fürhofer und Susanne Hermanski, Leiterin der Münchner Kulturredaktion.

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(Foto: Georg Seitz)

Lauschen unter Schirmen: das Publikum des SZ Kultursalons auf der Terrasse...

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(Foto: Georg Seitz)

...und in der Christo-Ausstellung im Palais Populaire.

Friedhelm Hütte, zuständig für die Kunstsammlung der Deutschen Bank weltweit, begrüßte die Gäste, darunter Vertreter aus der Kunst- und Kulturszene wie Andreas Beitin, Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg; der Chef der Deutschen Oper Berlin, Dietmar Schwarz; der Kostümbildner und Professor Reinhard von der Thannen; der Journalist Daniel Funke, Ehemann von Gesundheitsminister Jens Spahn; sowie neugierige SZ-Abonnenten.

Fürhofers theatrale Szenografien zu Ausstellungen wie "Du bist Faust - Goethes Drama in der Kunst" in der Münchner Hypo-Kunsthalle schlagen denn auch schon eine Achse zum Werk von Christo und Jeanne-Claude, das derzeit in einer Ausstellung im Palais Populaire dokumentiert ist. "Ich sehe da verwandte Ansätze", erläuterte Fürhofer auf Hermanskis Nachfrage. Gerade weil es ihn schon immer interessierte, das Publikum einzubeziehen und die metaphorische "Vierte Wand", die Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum zu durchbrechen, könne er von Christo lernen. Wenn man an den Vorhang und die Verkleidung denke, gebe es Parallelen. "Wir arbeiten beide mit theaterverwandten Mitteln. Auch wenn Christo seinen Vorhang gewissermaßen nie aufgezogen hat", sagte Fürhofer. Für Hans Neuenfels' Inszenierung von Rameaus "Castor et Pollux" hatte er sich gemeinsam mit dem Regisseur beispielsweise für eine Drehbühne entschieden, die den Zuschauern die Schauplätze ästhetisch dynamisiert, zugeschnitten wie "Tortenstücke", vor Augen geführt hätte. Doch die Opernfestspiele in München mussten wie so vieles wegen der Pandemie abgesagt werden.

Das Palais

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(Foto: Mathias Schormann)

Das Palais Populaire der Deutschen Bank liegt im Herzen des kulturellen Berlins. Das Haus "Unter den Linden 5" hat Geschichte: Ursprünglich Wohnsitz von Preußens Prinzessinnen, nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, in Zeiten der DDR, zum Operncafé wieder aufgebaut, ist es jetzt Plattform für Kunst, Kultur und Sport mit dem Auftrag zur Innovation. Die Räume wurden dafür vom Berliner Architekturbüro Kuehn Malvezzi neu gestaltet. Hinter der Barockfassade findet sich modernste Technik. Ausstellungen aus der Sammlung der Bank und von internationalen Partnern lassen sich dort ebenso erfahren wie etwa Literatur, Musik und Tanz. Seit Wiedereröffnung nach dem Lockdown ist die in der Tat populäre Schau "Christo and Jeanne-Claude: Projects 1963-2020" wieder zu sehen. Sie dokumentiert alle Großprojekte der beiden. Die Exponate stammen aus der Sammlung von Ingrid und Thomas Jochheim. her Christo and Jeanne-Claude: Projects 1963 -2020, bis 14. September, außer Di., tägl. 11-18, Do. bis 21 Uhr, Eintritt frei, Unter den Linden 5, Berlin, www.palaispopulaire.de

Bestechend offen sprach der Künstler über seinen angeborenen Herzfehler, der noch in seiner Studentenzeit, im Alter von 24 Jahren diagnostiziert wurde. "Die Ärzte stellten mich vor die Wahl: Entweder ich akzeptierte die Teiltransplantation eines anderen Herzens, oder ich hatte nur noch sechs Monate zu leben." Fürhofer, inzwischen 38 Jahre alt, entschied sich für die Operation. Er lebt seitdem mit dem Teil eines anderen Menschen, einem "Eindringling", wie es der französische Philosoph Jean-Luc Nancy bezeichnet, der sich ähnlich wie Fürhofer einer Herztransplantation unterziehen musste. "Nancys Texte über diese Grenzerfahrung habe ich viel gelesen und sie haben mir sehr geholfen, deshalb freut es mich natürlich besonders, dass er das Vorwort zu meinem Buch geschrieben hat", sagt Fürhofer. Der von Thierry-Maxime Loriot verlegte Band gibt einen Überblick über Fürhofers breit gefächerte künstlerische Arbeiten.

(Foto: N/A)

Hat er gezögert, diese Erfahrung in der Öffentlichkeit zu thematisieren, wollte Susanne Hermanski wissen. Zunächst habe ihn der Gedanke zurückgehalten, als Künstler nicht ständig mit seiner Krankheitsgeschichte assoziiert werden zu wollen, sagt Fürhofer. Gleichzeitig sei ihm bewusst geworden, wie sehr ihn diese Wochen prägten, die er im Krankenhaus verbrachte, den Blick starr auf die Röntgenbilder seines Brustkorbs gerichtet. "Jeder Künstler hat einen Grundpool an Themen, mit denen er sich in Schleifen immer wieder beschäftigt", gibt Fürhofer zu bedenken. In seinen Arbeiten, mal in den Hinterglasbildern oder in den Kirchenfenstern, mal in den Kubus- oder Leuchtkästen, finden sich immer wieder Computerscans von Organen, Röntgenbilder von Brustkorb und Herz, mit Zu- und Ausflüssen. Er empfinde das nicht als "Anklage", sagt Fürhofer, sondern als "zutiefst inspirierend". Das Thema der körperlichen Fragilität, der Verletzbarkeit des Menschen und auch die Abhängigkeit von der modernen Technik und der Medizin durchziehe sein Schaffen.

Sieht er denn "Kunst als Rettung", wie es auf der Einladungskarte für diesen Abend formuliert war, fragte ihn Hermanski. Zumindest habe er damals im Krankenhaus seinen ganz persönlichen "Pakt" geschlossen, berichtet Fürhofer. Und lacht, als ihn die Moderatorin darauf hinweist, dass er damit wohl eine Gemeinsamkeit mit dem eingangs erwähnten Faust aufweise. Wieder ernst, erläutert Fürhofer, welchen Inhalts sein Pakt konkret war: "Ich habe mir selbst ein Versprechen gegeben: Wenn ich diese Operation überstehe und weiterleben darf, dann werde ich mich nur mit den wesentlichen Dingen beschäftigen; ich werde Künstler, egal wie, egal mit was, und egal, welche finanziellen Konsequenzen das für mich haben wird."

Üblicherweise hätte es nun die Möglichkeit gegeben, mit dem Künstler und untereinander spontan ins Gespräch zu kommen. Dies fiel aus den bekannten Gründen aus. Dafür gab es noch eine abschließende Frage aus dem Publikum. "Gibt es denn eine Chance, dass Rameaus ,Castor et Pollux' doch noch auf die Bühne kommt", meldete sich ein Zuhörer zu Wort. "Es weiß keiner wirklich", gab Fürhofer zur Antwort. "Andererseits glaube ich, es gibt viele Sänger, die Zeit haben."

© SZ vom 13.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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