SZ-Adventskalender für gute Werke:Vorsicht, zerbrechlich

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Nur nicht anecken: Sobald sich Bilind, 10, irgendwo anstößt, schwillt die verletzte Stelle extrem dick an - eine Therapie gibt es nicht, Hilfe im Alltag schon

Von Florian Fuchs, München

Bilind ist ein sportlicher Bub, er hat einen federnden Gang, aus dem Auto steigt er nicht aus, er schwingt sich eher aus dem Fahrzeug. Der Zehnjährige würde gerne Fußball spielen, laufen, turnen, klettern, fragt man ihn nach seinen Lieblingssportarten, antwortet er: "alles." Gerade für Bilind ist es aber gefährlich, Fußball zu spielen. Es ist schon kritisch, wenn er auf einer Schaukel sitzt, er könnte herunterfallen und sich stoßen, und das hätte gravierende Auswirkungen: Wenn er einen Schlag auf einen Knochen abkriegt, dann bekommt er nicht einfach eine Beule oder einen Bluterguss wie andere Kinder. Bei ihm schwillt die verletzte Stelle extrem dick an. Sind Gelenke betroffen, kann er sich nicht mehr richtig bewegen - nie mehr. Fibrodysplasia Ossificans Progressiva heißt die Krankheit, an der Bilind leidet. "Nur ungefähr 700 Menschen auf der Welt haben das", sagt sein Vater Tamar A.

Bilind würde so gerne Fußball spielen, aber das ist zu gefährlich. (Foto: Robert Haas)

Schon kurz nach der Geburt hatte Bilind eine dicke Beule am Fuß, er musste operiert werden. Später ist er mal beim Autoscooter auf ein anderes Fahrzeug und mit der Stirn auf das Lenkrad geprallt, kein großes Ding, normalerweise. Aber Bilind musste auch an der Stirn operiert werden, zurück blieb eine Narbe. Die Ärzte konnten sich nie einen Reim darauf machen, warum der Bub so drastisch auf Verletzungen reagiert. Sie operierten die Schwellung wieder weg, aber das hilft auch nicht immer. Vor Jahren ist er einmal von einer Schaukel gefallen, er hat sehr geweint, unten an der Wirbelsäule bildete sich ein dicker Knubbel, der langsam bis zum Hals hinaufwanderte und dann verschwand: Seitdem kann Bilind seine Hände nicht mehr in die Höhe recken, er kann sie nur ein bisschen anheben und bleibt für immer eingeschränkt.

Spezialisten nahmen sich des Buben an, bis endlich ein Arzt die Diagnose stellte. Viel können die Ärzte trotzdem nicht für ihn tun, wenn er sich heute stößt, muss er ein Medikament nehmen, das die Knochen etwas weicher macht, so dass die Schwellung nicht so groß wird, aber das hilft nur bedingt. Eine Therapie gibt es nicht. "Vielleicht mal irgendwann, wir hoffen darauf", sagt Vater Tamar A. Am besten wäre es, Bilind stößt sich gar nicht, aber erzähl das mal einem Zehnjährigen, der am liebsten ständig einem Ball nachjagen würde. Er würde auch gerne einen Schwimmkurs machen, seine Eltern sind auch da skeptisch. Wasser ist zwar weich. "Aber was ist, wenn er gegen den Beckenrand schwimmt?," fragt sein Vater. Bilind würde es trotzdem gerne versuchen.

Tamar A. sucht für seine Frau und seine Kinder eine größere Wohnung, drei Geschwister hat Bilind. Neben dem Schwimmkurs, den sich der Zehnjährige wünscht, bräuchte die Familie neue Betten. Die Wohnung ist sehr klein, Bilind, sein kleiner Bruder und seine Eltern schlafen in einem Zimmer, die beiden Mädchen in einem anderen, auf klapprigen Stockbetten. Die Familie bräuchte dringend eine größere Wohnung mit mehr Platz, und dann auch neue Möbel, vielleicht gibt es auch eine besonders schonende Matratze. Gerade tut sich Bilind wieder schwer zu schlafen, er hat sich am Rücken verletzt und schon wieder eine Schwellung: Im Bett findet er deshalb kaum eine Position, die ihm keine Schmerzen bereitet.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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