Sudetendeutsches Museum:Multimedia-Schau statt Puppenstuben-Romantik

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Für 30 Millionen Euro entsteht in Haidhausen das Sudetendeutsche Museum. Die Ausstellung soll sich mit der Industrie- und Alltagsgeschichte befassen - und mit technischen Spielereien auch Besucher anlocken, die keine verwandten Sudetendeutsche haben.

Von Stefan Mayr, Augsburg/München

Ein Sudetendeutsches Museum? Für manche mag das zunächst nach einer Heimatstube mit verstaubten Trachten an der Wand und alten Gläsern und Porzellan in Vitrinen klingen. Doch Elisabeth Fendl hat ganz andere Pläne. "Wir werden ein modernes Museum mit eigener Internet-App machen", sagt die promovierte Volkskundlerin. Mit dieser App sollen die Besucher auf einem Soundteppich durch die Ausstellung gehen - und dabei natürlich auch Informationen abfragen können.

"Wir wollen auch andere Leute anlocken, die keine verwandten Sudetendeutschen haben und gar nichts über deren Geschichte wissen", sagt Fendl. Sie denkt da vor allem an junge Leute oder an Design-Interessierte, die sie mit einer Sonderausstellung über die Möbelfabrik "Thonet" anlocken will. Diese Fabrik im mährischen Koritschan hat zum Beispiel den Kaffeehausstuhl "Nummer 14" hergestellt, den heute jeder Mensch zumindest vom Sehen kennt.

Im Jahr 2018 soll in der Hochstraße in der Nähe des Gasteigs das Sudetendeutsche Museum München eröffnet werden. Wie das Gebäude aussehen wird, ist noch offen. Der Architektenwettbewerb ist noch nicht einmal angelaufen. Dennoch gewährten die Organisatoren des 30-Millionen-Euro-Projekts am Wochenende auf dem Sudetendeutschen Tag in Augsburg einen ersten Einblick in ihre Ausstellung.

Dauerausstellung auf 1200 Quadratmeter

Sie soll sich auf 1200 Quadratmeter Fläche über drei Stockwerke erstrecken und einen durchaus schwierigen Spagat leisten: einerseits die Zeit- und Politikgeschichte der Deutschen in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien ausführlich behandeln, andererseits auch Sozial- und Alltagsgeschichte darstellten. Die Kosten für das Museum in Höhe von 30 Millionen Euro übernehmen der Freistaat (20 Millionen) und der Bund (zehn Millionen).

Das Konzept erarbeitet Elisabeth Fendl, unterstützt von Klaus Mohr, dem Leiter des Depots der Sudetendeutschen Stiftung. Die Dauerausstellung auf etwa 1200 Quadratmetern wird in drei Kapitel aufgeteilt sein. Im ersten Bereich ("Heimat!") geht es um die Kultur und Geschichte der Deutschen in den böhmischen Ländern. Der dritte Teil heißt "Heimat?". Mit Fragezeichen. Er beleuchtet das neue Leben der Vertriebenen im Westen.

Fendl will diese Phase nicht weichzeichnen: "Es gab da viele Probleme und auch Selbstmorde", sagt sie. Im zweiten Komplex "Verlust - Das Ende der Selbstverständlichkeiten" werden viele dunkle Kapitel der Zeitgeschichte ausgeleuchtet. Allen voran der Nationalsozialismus und die Verfolgung der Deutschen nach Kriegsende. Eines der bewegendsten Exponate ist wohl ein Bergarbeiter-Helm, den ein deutscher Zwangsarbeiter im Uranbergwerk in St. Joachimsthal trug.

Mohnmühlen und das längste Motorrad der Welt

Wenn Elisabeth Fendl über die 15 000 Exponate aus dem Depot spricht, könnte sie alleine über die kulinarischen Sitten ein abendfüllendes Referat gestalten, das nie langweilig wird. Wer weiß heute noch, dass es die Sudetendeutschen waren, die den Mohn als Zutat nach Bayern brachten? Und dass sie hierfür anfangs jahrelang schräg angeschaut wurden, weil die Leute dachten, die wollen wohl Rauschgift herstellen?

Dabei ging es doch nur um "Mohnbuchteln" - also Rohrnudeln, die mit Mohn gefüllt wurden. "Jeder Sudetendeutsche hatte eine Mohnmühle zu Hause", berichtet Fendl, "aber nach der Vertreibung besaßen viele keine mehr." In ihrer Not wandten sich die Betroffenen an die Bäcker in ihrer neuen Heimat, und diese ließen die darbenden Vertriebenen ihre Geräte benützen.

Die Mohnmühlen als Element der Annäherung und Verständigung - "und als das Symbol für die alte Heimat", wie Elisabeth Fendl sagt. Auch solche Geschichten soll das Museum erzählen. "Wir planen eine Installation mit 30 Mohnmühlen", sagt Fendl. "Wir wollen nicht nur wichtige Ereignisse darstellen, sondern auch den Alltag."

Zu den Pflichtexponaten gehören Glas- und Porzellan-Arbeiten aus den berühmten Hütten. Auf die Frage, welches seiner Exponate ihm am besten gefällt, fällt Klaus Mohr spontan ein Objekt ein, "das ich noch gar nicht habe." Er ist auf der Suche nach einem sogenannten "Böhmerland-Motorrad", das in den 1920er Jahren im Sudetenland hergestellt wurde.

Der Dreisitzer gilt als längstes Motorrad der Welt. Von den einstmals 3000 produzierten Exemplaren existieren heute nur noch weniger als 100. Die Suche nach solchen Exponaten dürfte für die Ausstellungsmacher eine der schwierigsten Aufgaben sein.

© SZ vom 10.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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