Streit um Bilder von Kriegsopfern:"Kein Ort für Kunst"

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Mit drastischen Bildern von verstümmelten Kriegsopfern wollte der Künstler Wolfram Kastner die Gesellschaft wachrütteln. Die Ausstellung löste heftige Proteste der Anwohner aus. Jetzt hat der Initiator die Schau geschlossen.

Sebastian Krass

Das Ende setzte der Künstler selbst. Schon nach vier Tagen brach er die Ausstellung ab. Wütend packte Wolfram Kastner seine Sachen zusammen und hinterließ den Bürgern im Ackermannbogen einen Zettel im Schaufenster, mit der Botschaft "Kein Ort für Kunst". Es war das plötzliche Ende eines heftigen Streits über die Grenzen der Kunstfreiheit.

Nach Protesten der Anwohner hat Wolfram Kastner seine Ausstellung "teilen statt kriegen" vorzeitig beendet. (Foto: oh)

Erst am Freitag hatte Kastner die Ausstellung "teilen statt kriegen" im Schauraum in der Therese-Studer-Straße eröffnet. Zu sehen waren unter anderem Fotografien von Opfern verschiedener Kriege, auch von auf grausamste Weise verstümmelten Kindern. Kastner glaubt, dass die Bilder einen kathartischen Effekt haben: "Das Entsetzen über die furchtbaren Folgen von Kriegen erachte ich für sinnvoll und heilsam."

Eine Gruppe von Anwohnern sah das anders. Sie störten sich insbesondere daran, dass die drastischen Bilder im Schaufenster hingen und auch zu sehen waren, wenn man die Ausstellung gar nicht besuchen wollte. Sie protestierten lautstark, am Sonntag eskalierte die Lage. Die Polizei wurde gerufen, die empörten Bürger sahen in der Ausstellung einen Verstoß gegen den Jugendschutz.

Auch die von den Beamten angeordnete Lösung, den unteren Teil des Schaufensters zu verhängen, damit zumindest kleine Kinder vor dem Anblick geschützt sind, stellte sie nicht zufrieden. "Sie wollten die Ausstellung unbedingt schließen und beklebten die Schaufenster", sagt Kastner. Er habe die Bilder schon in Hof und in Tirol ausgestellt, ohne Proteste, auch in München habe er Zustimmung erfahren. "Hier aber haben einige versucht, ihre persönlichen Vorstellungen auf Teufel komm raus durchzudrücken, sie beschimpften Andersdenkende als unzurechnungsfähig und setzen sich über polizeiliche Regelungen hinweg. Ihr Traum von einer heilen Welt soll Maßstab für alle sein."

Das weisen die Anwohner von sich. In einem Brief an den Künstler heißt es, dessen bedingungslose Anti-Kriegs-Haltung sei nachzuvollziehen. Aber sein Mittel, "das plakative Zurschaustellen von Gräueln für jedermann", sei falsch. Der pädagogische Effekt werde gerade bei Kindern ausbleiben, da diese die Eindrücke "ohne Wahlmöglichkeit, ohne Vorbereitung" nicht verarbeiten könnten. Überdies habe er gegenüber den Opfern nicht das Recht, die Fotos auszustellen.

Manfred Drum sieht in der Eskalation vor allem eine verpasste Chance. Der Architekt engagiert sich im Kulturteam der Nachbarschaftsinitiative, die im Schauraum lokalen Künstlern ein Forum bieten will. "Ich habe schon Verständnis für den Protest, aber die Form war übertrieben", sagt Drum. "Die Aggression, die zu spüren war, hat beim Künstler nur noch mehr Widerstand erzeugt." Drum hält eine "Ausstellung, die Krieg anprangert, für gut und gesund für alle". Doch die hochgekochten Emotionen hätten jeden Lernprozess und auch fruchtbare Diskussionen, etwa über die Kunstfreiheit, verhindert.

Wolfram Kastner will sich nicht entmutigen lassen, er hat ein neues Ziel für seine Schau: Berlin.

© SZ vom 20.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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