Streik:Mit einem Bein im Knast

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"Wir sind es wert" - am bundesweiten Streik der Geld- und Wertdienstleister beteiligen sich auch Mitarbeiter aus München und Bayern. Sie ziehen lautstark durch die Innenstadt. (Foto: Robert Haas)

In München demonstrieren etwa 300 Mitarbeiter der Geldtransporterbranche. Sie kritisieren ihre Arbeitsbedingungen und fordern mehr Geld

Von Merlin Gröber

Volker Tintschl transportiert seit elf Jahren Bargeld zu Supermärkten und Geldautomaten. "Der Job ist wahnsinnig stressig. Es kann immer etwas passieren", sagt er. Pro Kunde seien nur wenige Minuten veranschlagt. In dieser Zeit müsse er die Geldkoffer entladen, zum Kunden bringen und aushändigen. "Manchmal schleppt man da 120 Kilo rein- und raus", sagt Tintschl. 15 Euro Stundenlohn seien dafür zu wenig. Für ihn geht es aber um mehr als nur Geld: "Ich streike nicht nur für eine bessere Bezahlung, sondern auch für die Wertschätzung vonseiten der Firma", sagt er.

Mit seiner Forderung steht er nicht alleine da. Mehr als 300 Beschäftigte aus der Geldtransportbranche haben sich am Mittwoch vor dem Gewerkschaftshaus in München getroffen. Sie alle wünschen sich mehr Geld, mehr Wertschätzung und weniger Stress. Der bundesweite Streik brachte die Bargeldbelieferung von Einzelhandel und Banken in Bayern und anderen Teilen Deutschlands weitgehend zum Erliegen. Um kurz vor elf Uhr zogen die Demonstranten los: Mit Trillerpfeifen, Warnwesten und Verdi-Flaggen liefen sie von der Schwanthalerstraße in Richtung Stachus. "Wo bleibt das Geld?", riefen die Teilnehmer. Mit dem Warnstreik erhöhen die Angestellten den Druck auf die Arbeitgeber, einer Lohnerhöhung um 1,50 Euro zuzustimmen. Festgehälter sollen um 250 Euro steigen und die Gehälter zwischen Ost und West angeglichen werden. Hintergrund des Warnstreiks ist die laufende Tarifrunde für die bundesweit 12 000 Beschäftigten in der Geld- und Wert-Branche.

"Was wir machen wird nicht wertgeschätzt. Weder im Gehalt noch im menschlichen Umgang", sagt eine Teilnehmerin, die ihren Namen nicht nennen möchte. "Sonst drohen Sanktionen vom Arbeitgeber", sagt sie. Seit 15 Jahren transportiert sie Bargeld in Nürnberg für einen weltweit tätigen Sicherheitsdienstleister. Sie fordert auch neuere Sicherheitsgeräte. Von der Schutzausrüstung hänge ihr Leben ab. "Bessere Ausrüstung ist auch im Interesse der Firmen", sagt die Frau. Die schlechten Arbeitsbedingungen könnten zu einem Personalengpass führen: "Viele junge Kollegen schmeißen den Job nach wenigen Wochen wieder hin", sagt sie. "Es ist ihnen schlichtweg zu stressig und gefährlich. Da muss sich was ändern."

Einer der jungen Kollegen, die nicht aufgehört haben, ist Fabian Bühler, der seinen wirklichen Namen ebenfalls nicht nennen möchte. Seit zwei Jahren fährt er Geldtransporte in Fürstenfeldbruck. Fünf Minuten hat er pro Supermarkt, 30 bis 35 Supermärkte muss er täglich bedienen, 50 sind es, wenn er mit einem Kollegen unterwegs ist. Um das zu schaffen, steht er morgens um 3.45 Uhr auf, die erste Tour startet um 5.30 Uhr. "Ich arbeite dann mindestens zehn Stunden, manchmal mehr", sagt er. 200 Stunden pro Monat müsse er arbeiten, um zu leben.

Der Stress habe zugenommen, sagt Brigitte Nebelsiek. Seit 21 Jahren bringt sie Geld zu Automaten oder holt es in Supermärkten ab. Derzeit befüllt sie die Automaten in Münchner U-Bahnhöfen. Bis zu 45 Automaten bestücke sie pro Tag. Das sei ein besonders gefährlicher Job: Die Wege in den U-Bahnhöfen seien unübersichtlich, die Gefahr von hinten überfallen zu werden allgegenwärtig. "Fehler können wir uns keine leisten", sagt sie. "Sonst stehen wir mit einem Bein im Grab und mit dem anderen im Knast." Trotz der schlechten Bezahlung arbeite sie gerne im Geldtransport: "Der Job macht Spaß."

Kai Winkler, Landesfachbereichsleiteiter bei Verdi, ist zuversichtlich, dass die Arbeitgeber sich bewegen. "Durch den Streik können rund 80 Prozent der geplanten Geldtransporte nicht befahren werden", sagt er. An der Situation wird sich vorerst nicht viel ändern: Auch am Donnerstag soll der Warnstreik andauern. Zu Engpässen an den Geldautomaten soll es trotzdem nicht kommen: "Man muss aufgrund des Streiks nicht davon ausgehen, dass man am Automaten nun kein Bargeld mehr bekommt", sagte eine Sprecherin des bayerischen Sparkassenverbands.

© SZ vom 03.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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