Street-Art:190 Quadratmeter Kritik

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Öldose in hohler Hand: Shepard Fairey, einst mit der Hope-Kampagne für US-Präsident Obama berühmt geworden, legt sich gerne mit Ölkonzernen an. (Foto: Lukas Barth)

Der Künstler Shepard Fairey bemalt eine Wand in Neuhausen - und klagt damit die US-Politik an

Von Andreas Glas, München

Nein, als Motiv hat Shepard Fairey kein Seppi-Schmid-Konterfei gewählt, kein Porträt, wie er damals eines entworfen hat von Barack Obama, für dessen legendäre Hope-Kampagne im US-Wahlkampf 2008. Nicht die Politik, sondern "der Künstler muss es sein, der den Inhalt vorgibt", sagt Fairey, als er am Sonntag neben Bürgermeister Josef Schmid (CSU) und vor einer 190 Quadratmeter großen Hauswand in Neuhausen steht. Auf der Wand prangt jetzt eine hohle Hand, sie hält eine Öldose, "Paint it black" steht darüber geschrieben. "Es ist eine Kritik an der amerikanischen Politik, die von Ölkonzernen bestimmt wird", sagt Fairey.

Zwei Tage hat Fairey mit Handlangern auf einer Hebebühne gestanden, hat eine Schablone nach der anderen an die Wand geklebt, hat gesprüht. Kleben, sprayen, kleben, sprayen, immer wieder. Und jetzt hat auch München einen echten Fairey, den Schmid eine "Ikone in der Pop Art" nennt. Den Vorwurf, die Stadt habe dieser Ikone nur einen abgelegenen Hinterhof frei geräumt, will Schmid aber nicht gelten lassen, für ihn hätte es "keinen besseren Ort" für das Anti-Ölindustrie-Motiv geben können als die Fassade eines Stadtwerke-Gebäudes - eines Unternehmens also, sagt Schmid, das sich früh dazu verpflichtet habe, auf erneuerbare Energien zu setzen.

Als Fairey, Künstlername "Obey", sein Münchner Werk vorstellt, klebt immer noch Farbe an seinen Fingernägeln, er trägt ein Shirt, auf dem der Blitz ins Weiße Haus einschlägt. Man darf das als Kritik an Barack Obama verstehen, von dessen Politik Fairey inzwischen enttäuscht ist. Wie für das Obama-Konterfei damals hat er nun auch in München kein Geld genommen. Eigentlich sei er nur wegen seines Kumpels hier, wegen Sebastian Pohl, den er schon seit 15 Jahren kennt. Pohl, 31, ist künstlerischer Leiter des Münchner Street-Art-Vereins "Positive Propaganda", er hat der Stadt die Hauswand an der Landshuter Allee 54 abgerungen. Zähe Verhandlungen seien das gewesen, sagt Pohl.

"Es war ein Kampf, die Bürokratie war unser großer Gegner", sagt auch Josef Schmid, der sich für das Projekt stark gemacht hat. Er sei glücklich, dass Fairey "in dieser Stadt des Geldes und des Hochglanz' einen Kontrapunkt gesetzt" habe. München sei zwar nicht Berlin, sagt Schmid, "aber etwas mehr Coolness tut auch uns gut".

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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