Strafprozess:Streit über Ruhestörung

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Ahmet T. soll einen Nachbarn mit einem Beil angegriffen haben

Von Andreas Salch

Ahmet T. fühlte sich in seiner Ehre verletzt. Der 61-jährige Landschaftsgärtner war stocksauer. Direkt unter seinem Schlafzimmer im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses am Karl-Marx-Ring in Perlach unterhielt sich seine Nachbarin mit ihrer Tochter und deren Lebensgefährten angeblich sol laut, dass man nicht einschlafen kann. Und dann noch diese Beleidigung: "Wenn Du Eier hast, komm' doch runter", soll der Hamit Q. ( Name geändert) nach oben gerufen haben, nachdem sich Ahmet T. über den Lärm um 23.30 Uhr beschwert hatte. Seit Montag sitzt der 61-Jährige auf der Anklagebank der 11. Strafkammer am Landgericht München I und gerät immer noch in Rage, wenn er an jene Nacht Ende Juni 2015 denkt. Er soll versucht haben, Hamit Q. mit einem Beil zu töten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen versuchten Totschlags erhoben.

Es ist bereits das zweite Mal, dass Ahmet T. wegen der Tat vor Gericht steht. Vor einem Jahr war er von einer anderen Kammer am Landgericht München I wegen der Attacke auf Hamit Q. zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Ahmet T. hatte danach über seinen Verteidiger Revision vor dem Bundesgerichtshof eingelegt. Die Richter dort kamen zu dem Ergebnis, dass das Urteil in Teilen "rechtsfehlerhaft" sei. Der Fall musste deshalb noch einmal neu aufgerollt werden. Nach Ansicht der Bundesrichter muss geklärt werden, ob sich der Angeklagte "auf der Stelle zu der Tat hat hinreißen lassen", nachdem Hamit Q. ihn auf beleidigende Weise aufgefordert hatte, er solle doch nach unten kommen, wenn er sich traue. Dies dürfte kein leichtes Unterfangen sein. Auf fünf Verhandlungstage hat der Vorsitzende der 11. Strafkammer, Richter Stephan Kirchinger, den Prozess terminiert. Zwölf Zeugen sollen gehört werden. Außerdem wird ein psychiatrischer Sachverständiger zu Wort kommen.

Was denn an dem Urteil aus dem ersten Prozess falsch sei, fragt Richter Kirchinger den Angeklagten. Ahemt T. antwortet darauf unter anderem: "Ich bin kein Ungeheuer." Streit zwischen ihm und seiner Nachbarin, die unter ihm wohnt, habe es schon seit langem gegeben. Es soll schon bei T.s Einzug vor dreizehn Jahren los gegangen sein. Das Haus, in dem er wohne, sei sehr hellhörig. Lärm aber hätten vor allem andere gemacht. Nach seiner Verhaftung seien sogar Unterschriften für ihn gesammelt worden, so T. Die, die ihn kennen, sagten: "Dass ich gut bin."

Bei dem Streit mit seiner Nachbarin in jener Nacht im Juni 2015 habe er keine Schimpfworte gebraucht, so der 61-Jährige. Es seien ja Frauen da gewesen. Hamit Q. jedoch soll das nicht interessiert haben. Die Worte, die der 49-Jährige gebraucht habe, bedeuteten doch: "Wenn Du ein Mann bist, dann komm' runter." Das habe ihn getroffen, empört sich Ahmet T. Es sei "eine schwere Beleidigung" in Anwesenheit seiner Frau gewesen.

Nach den Worten von Hamit Q., die den Angeklagten angeblich so in seiner Ehre verletzt hatten, hatte dieser ein Beil im Flur seiner Wohnung von der Wand genommen und war nach unten gestürmt. "Es ist ein schönes kleines Beil", sagte Ahmet T. Dass er seine Nachbarin, ihre Tochter sowie deren Lebensgefährten mit dem Tode bedroht habe, stritt der 61-Jährige ab. Warum er denn überhaupt ein Beil mit nach unten genommen habe, fragte Richter Kirchinger den Landschaftsgärtner. "Ich weiß es wirklich nicht, wie es dazu kam." Vielleicht ja aus Angst, dass Hamit Q. ihn angreife, meinte Ahmet T.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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