Strafbefehl gegen Motorradfahrer:Tod auf der Rennstrecke

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Im Juni 2011 wurde die Frau von Johann S. von einem Motorrad überfahren. Ob ein illegales Wettrennen die Ursache für ihren Tod war, ist bis heute unklar. Erst jetzt hat das Amtsgericht München Strafbefehl gegen den jungen Motorradfahrer verhängt. Doch aufgearbeitet ist der Fall damit nicht.

Benjamin Jungbluth

Mehr als ein Jahr ist seit dem tragischen Unfall am Mangfallplatz vergangen. Doch Johann S., der Ehemann des Opfers, kann noch immer keine Ruhe finden. "Bis heute ist die Sache für mich nicht endgültig abgeschlossen. Es geht mir gar nicht darum, dem jungen Motorradfahrer sein Leben zu verbauen. Aber ich brauche endlich einen Schlusspunkt hinter der ganzen Sache."

"Ich brauche endlich einen Schlusspunkt", sagt Johann S. Der Münchner verlor am 27. Juni 2011 seine Frau durch einen Unfall. (Foto: ANGELIKA BARDEHLE)

Johann S. wirkt nicht verbittert, wenn er über die Ereignisse des 27. Juni 2011 spricht. Er ist vielmehr erschöpft und auch ein wenig ratlos. "Vergessen werde ich das niemals können, aber vielleicht kann ich eines Tages verzeihen."

Was genau an diesem frühen Abend vor über einem Jahr in der Naupliastraße auf Höhe des Mangfallplatzes, passiert ist, konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden. Anfangs war von einem illegalen Rennen die Rede, dass sich der damals 21-jährige Motorradfahrer und ein 37 Jahre alter Porschefahrer geliefert haben sollen. Auf Höhe eines Grünstreifen-Durchstichs erfasste der Motorradfahrer dann Margareta S., die gerade die Straße überquerte. Die 63 Jahre alte Frau starb noch an der Unfallstelle.

In dieser Woche hat nun das Amtsgericht München einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung gegen den Motorradfahrer verhängt, wie Gerichtssprecherin Ingrid Kaps auf Anfrage bestätigte.

Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch konkretisierte, es handele sich um eine Haftstrafe von maximal einem Jahr auf Bewährung, genauere Angaben machte er jedoch nicht. Weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft wollten außerdem Einzelheiten zu den im Strafbefehl enthaltenen Vorwürfen nennen. Da der Motorradfahrer den Strafbefehl angenommen habe, sei es zu keiner Gerichtsverhandlung gekommen.

Wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt

Eine öffentliche Aufarbeitung des Unfalls ist dadurch allerdings weiterhin nicht möglich. Weder die genaue Unfallursache noch das Verhalten der Unfallbeteiligten können bewertet werden. Der Vorwurf des illegalen Rennens werde im Strafbefehl aber nicht mehr erhoben, teilt die Anwältin des Motorradfahrers, Uta Hervol, mit. Der am Unfall nicht direkt beteiligte Porschefahrer wurde inzwischen nur wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt.

Witwer Johann S. hat vor einem Jahr gerüchteweise gehört, dass es an der Ampel am Mangfallplatz zu einem Beschleunigungsrennen zwischen dem Motorrad und dem Porsche gekommen sein soll. Auch zahlreiche Medien berichteten bundesweit über das vermeintliche Rennen. Ob es tatsächlich zu einem derartigen Wettrennen gekommen ist, wird von Seiten der Ermittlungsbehörden nicht kommentiert. Die Anwältin des Motorradfahrers sieht in der Behauptung eine Vorverurteilung durch die Medien.

Doch Johann S. sind diese Details gar nicht wichtig: "Angeblich haben die Leute die Motoren aufheulen gehört. Aber ob es jetzt ein Rennen war oder nicht, ich kann einfach die Geschwindigkeit nicht verstehen. So schnell fährt man da doch einfach nicht."

Johann S. schwankt immer wieder zwischen Unverständnis und Nachsicht für den jungen Motorradfahrer. Er schiebt es auf dessen jugendlichen Leichtsinn, dass er laut Gutachten fast 100 Stundenkilometer schnell fuhr. Und betont im gleichen Augenblick, dass es ihm nicht darum gehe, seine Zukunft kaputt zu machen. "Aber die Schuld, die gebe ich ihm natürlich schon."

2011 kam es in der Naupliastraße zu einem tödlichen Unfall, dessen Hintergründe noch immer nicht geklärt sind. (Foto: ANGELIKA BARDEHLE)

An der Unglücksstelle erinnert heute nichts mehr an das Ereignis. Das Trauerkreuz und die Blumen sind schon längst wieder entfernt worden. Doch der Übergang über die vierspurige Naupliastraße wird weiterhin rege benutzt. In kurzem Abstand überqueren hier Rentner und Mütter mit Kinderwagen die Straße, ohne dass der Übergang als solcher gekennzeichnet ist.

Nur jeweils etwa 100 Meter entfernt befinden sich an den Haltestellen Fußgängerampeln. Doch kaum einer der Passanten nimmt den kleinen Umweg. Das liege an dem Weg aus der nahen Wohnsiedlung, der genau hier in die Naupliastraße münde, sagt ein Ladenbesitzer. "Gerade die Älteren gehen da mehrmals täglich rüber, weil auf der anderen Seite die Supermärkte und Geschäfte sind. Die warten dann zwischen den geparkten Autos und huschen zwischen den Grünphasen der Ampeln rüber." Und dann seien da noch die Autofahrer, die immer wieder zu schnell führen. Da gebe es täglich gefährliche Situationen.

Witwer Johann S. war seither nicht mehr an der Unfallstelle. Er möchte sich mit den Details nicht mehr beschäftigen, seit sein Anwalt ihm erklärt hat, dass die Todesursache seiner Frau nicht genau ermittelt werden konnte. Zu schwer und zu zahlreich waren ihre Verletzungen. Johann S. versucht, endlich über die Tragödie hinwegzukommen. "Das Leben geht weiter. Oder genauer: es muss halt irgendwie weitergehen."

© SZ vom 05.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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