Statistik:Leben in einer teuren Stadt

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Immer mehr ziehen her, immer weniger ziehen um

Von Anna Hoben

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Einwohnerzahl von München die Anderthalb-Millionen-Marke überschritten hat. Seit Jahren wächst die Stadt unaufhörlich. Das ist nicht immer so gewesen.

Wie sich verändert hat, was man für sein Geld bekommt

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(Foto: SZ-Grafik)

Blättert man durch Wohnungsanzeigen aus den 50er-Jahren, fällt nicht nur auf, wie viel mehr Immobilien zum Verkauf standen, sondern auch wie anders die Preise waren. Für 280 000 Deutsche Mark zum Beispiel bekam man in Bogenhausen ein Haupthaus mit acht Zimmern und ein Nebenhaus mit drei Zimmern, wohlgemerkt mit "aller Zubehör" und "herrschaftlichem Garten". Heute bekäme man für einen ähnlichen Preis — unter Berücksichtigung der Inflation wären das mehr als 600 000 Euro — im gleichen Viertel zum Beispiel eine Wohnung mit drei Zimmern und 84 Quadratmetern.

Zweckentfremdete Wohnungen

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(Foto: SZ-Grafik)

Bezahlbarer Wohnraum ist in München knapp. Deshalb ist Zweckentfremdung seit 1972 verboten. Die Stadt will verhindern, dass Wohnraum dem Markt entzogen wird - zum Beispiel indem eine Wohnung als Büro oder Praxis genutzt wird, unerlaubt als Ferienwohnung oder Quartier für Medizintouristen vermietet wird oder leer steht. Dafür droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 500 000 Euro. Bei 1000 Wohnungen gibt es laut Sozialreferat einen Anfangsverdacht auf Zweckentfremdung, knapp 300 Wohnungen konnte die Stadt im vergangenen Jahr dem Markt wieder zuführen. Quelle: Stadt München

Nach dem Olympiajahr 1972 stagnierte das Bevölkerungswachstum zeitweise, erst seit der Jahrtausendwende vergrößert sich München wieder kontinuierlich. Und ein Ende ist nicht in Sicht - bis 2030 rechnen die städtischen Planer mit 1,8 Millionen Einwohnern.

Wer eine Wohnung sucht, eine bezahlbare zumal, bekommt die Folgen des Booms besonders deutlich zu spüren. Die Grafiken auf dieser Seite illustrieren Entwicklung, Ursachen und Folgen der Wohnungsmisere. Die einzelnen Aspekte hängen zusammen: Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt seit Jahrzehnten kontinuierlich ab, die Zahl der Wohnungslosen ist drastisch gestiegen.

Sie leben in städtischen Notunterkünften oder versuchen, während einer Überbrückungsphase in einem sogenannten Clearinghaus wieder auf die Beine zu kommen. Die Mieten auf dem freien Markt können sie sich allerdings nicht leisten. Wenn sie eine Berechtigung haben, können sie sich über das Onlineportal Sowon für eine Sozialwohnung bewerben - doch die Bewerberzahlen übertreffen die der verfügbaren Wohnungen um ein Vielfaches.

Ein Blick in den zuletzt 2015 veröffentlichten Bericht zur Wohnungssituation zeigt, dass sich die Differenz zwischen Wiedervermietungs- und Bestandsmieten seit 2005 immer mehr vergrößert hat. Wer umzieht, zahlt oft mehr als sein Vorgänger.

Der Bericht konstatiert deshalb nüchtern, dass "offenbar weniger Münchnerinnen und Münchner bereit oder in der Lage" seien, ihre Wohnung zu wechseln. Auch wenn es jedes Jahr noch weit mehr als 100 000 Wohnungswechsel gibt, ziehen die Münchner heute also seltener um als früher. Und das hat auch mit den explodierenden Mieten zu tun.

Dass die Mieten steigen, hat zum einen damit zu tun, dass die Grundstücks- und Kaufpreise noch viel stärker gestiegen sind. Es hat damit zu tun, dass Vermieter bei Modernisierungen bisher elf Prozent der Kosten auf die Mieter umlegen dürfen - jedes Jahr, auch dann noch, wenn die Maßnahmen längst abbezahlt sind.

Es hat aber auch mit einem Instrument zu tun, das eigentlich mehr Transparenz in den Markt bringen soll: dem städtischen Mietspiegel. Der sei eigentlich ein "Mieterhöhungsspiegel", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) vor Kurzem.

Und auch die größte Vermieterin Münchens, die Stadt selbst mit ihren beiden Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG, hat sich bei Mieterhöhungen in ihren frei finanzierten Wohnungen regelmäßig auf den Mietspiegel berufen - und damit dazu beigetragen, die Preise in die Höhe zu treiben. Das will Reiter künftig nicht mehr zulassen. Bis zum Sommer will er eine kommunale Mietpreisbremse einführen, welche die Preiserhöhungen in städtischen Wohnungen deutlich begrenzen soll.

Die übergroße Mehrheit der Münchner, wird natürlich weiterhin auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen sein. Wer nicht das Glück hat, einer Genossenschaft anzugehören und lebenslang günstigen Wohnraum garantiert zu haben, wird weiter suchen und Bewerbungen schreiben und an Massenbesichtigungen teilnehmen. Die Frage, wie man wohnt, wird noch lange das Smalltalk-Thema Nummer eins bleiben.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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