Zeitzeugin aus Starnberg/Wangen:Lieselotte Bach gestorben

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Die frühere Starnberger Stadträtin Lieselotte Bach war bereits 1998 für ihre besonderen Verdienste mit der Goldenen Bürgermedaille ausgezeichnet worden. (Foto: odg)

Sie verlor Ehemann und Bruder im Krieg, später prägte sie die Kommunalpolitik und das evangelische Gemeindeleben mit: Das Leben der 99-Jährigen steht beispielhaft für die Brüche des 20. Jahrhunderts.

Nachruf von Oliver Das Gupta, Starnberg

In der Nacht von Karfreitag auf Samstag ist die frühere Kommunalpolitikerin Lieselotte Bach in ihrem Haus in Wangen gestorben. Das Leben der 99-Jährigen steht beispielhaft für die Brüche des 20. Jahrhunderts.

Die gebürtige Thüringerin kam als Mädchen Anfang der 1930er Jahre nach Wangen, wo ihre Großeltern eine Landwirtschaft betrieben haben. Ihr Vater war vom Ersten Weltkrieg geprägt, die Mutter eine der ersten Juristinnen Deutschlands.

Bei Kriegsausbruch war Bach als "Arbeitsmaid" im nationalsozialistischen Reichsarbeitsdienst beschäftigt, später studierte sie Agrarwissenschaften in München und heiratete 1944 einen Wehrmachtsoffizier. Nach ihren Flitterwochen musste er wieder an die Front ins damalige Jugoslawien - seitdem gilt er als verschollen. Zuvor war bereits Bachs Bruder bei Stalingrad gefallen.

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Protokolle von Oliver Das Gupta

Bei Kriegsende vor 75 Jahren ereignete sich ein Gefecht einer US-Einheit mit SS-Männern auf dem Anwesen Bachs, bei dem es drei Tote gab. Nach dem Krieg bewirtschaftete sie mit ihren Eltern den Bauernhof. Bach hoffte lange auf die Rückkehr ihres Mannes, sie blieb allein und kinderlos.

In den siebziger Jahren wurde sie Gemeinderätin im damals noch selbstständigen Wangen, nach der Gebietsreform vertrat sie für die Unabhängigen Wähler (UWG) von 1983 bis 1990 die Interessen des Dorfes im Starnberger Stadtrat. In Wangen trieb sie den Bau der Mehrzweckhalle voran. 20 Jahre war sie zudem Mitglied des Evangelischen Kirchenvorstandes in Starnberg.

Ihren 100. Geburtstag wollte Bach groß feiern

Trotz ihres Alters lebte die Seniorin selbstbestimmt, Bach fuhr mit dem Fahrrad nach Starnberg, mit der Bahn nach Hamburg oder in den Skiurlaub nach Tirol. Bis zuletzt war sie eine auskunftsfreudige Zeitzeugin.

Seit Anfang des Jahres ging es ihr schlechter, sie freute sich bis zu den Kontaktbeschränkungen der Coronakrise trotzdem über Besuch.

Ihr Ziel war eine große Feier zu ihrem Geburtstag. Am 2. Mai wäre Lieselotte Bach 100 Jahre alt geworden.

© SZ vom 14.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Oliver Das Gupta

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