Wörthsee:Vier gewinnt

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Ensemble mit eigenem Stil und eigener Rhetorik: das Goldmund Quartett beim Auftritt in Wörthsee. (Foto: Georgine Treybal)

Das junge Goldmund Quartett musiziert in Wörthsee auf sehr hohem Niveau und zeigt sein Faible für Schostakowitsch

Von Reinhard Palmer, Wörthsee

Im Semifinale des ARD-Wettbewerbs 2016 standen sie schon kurz vor dem Durchbruch. Ein Erfolg, der das Goldmund Quartett auf alle Fälle in die internationale Nachwuchselite im Fach Streichquartett katapultierte. Zu einem der ersten Plätze reichte es dann zwar nicht in München, aber die Vier erhielten das Karl-Klingler-Förderstipendium in Nachfolge von Ensembles wie Quatuor Ebène, Apollon Musagètes und Armida Quartett.

Dass das alles kein Zufall war, davon überzeugte auch der Auftritt der Musiker bei den Kammerkonzerten Wörthsee. Am Abend nach dem Besuch des Quatuor Ebène im Gautinger Bosco lässt sich aber ein Vergleich kaum vermeiden. Dabei schneidet das Goldmund Quartett keinesfalls schlecht ab, zumindest was die Spieltechnik betrifft. Der wesentliche Unterschied bestand wohl in der bisweilen aufkommenden Lässigkeit, die zwar für Schwung sorgte, aber leider auch der Konzentration und der Hingabe im Spiel Intensität entzog. Und wenn ein Mitspieler an seinen störrischen Notenblättern ewig herumhantiert, leidet auch die Aufmerksamkeit des Publikums. Die Zuhörer waren zahlreich in die Schulaula geströmt, und sie erlebten dennoch ein Konzert auf sehr hohen Niveau.

Was das Goldmund Quartett ausmacht, ist seine natürliche und sich selbst treu bleibende Spielweise. Hier wurde kein anderes Ensemble kopiert und keine andere Interpretation nachgeahmt. Das Ensemble hat einen eigenen Klang und eine eigene Rhetorik, die für die verschiedenen Stilepochen auch die nötige Wandelbarkeit mitbringt.

Die wunderbar warme Klangbalance in Schuberts Es-Dur-Quartett op. 125/1 stand vom ersten Ton an sicher im Raum. Das feinsinnige Hell-Dunkel-Changieren zwischen seliger Melodik und düsteren Verdichtungen ließ unverkennbar Schuberts Atmosphäre erstehen. Die pfiffig pointierte Spritzigkeit des Scherzo im Kontrast zum lyrisch-melancholischen Trio und die schönmelodische Wärme im Adagio bis hin zum Großaufgebot emotionaler Ausprägungen im kraftvollen Schluss-Allegro umrissen eine in sich schlüssige Interpretation. Und diese Fassung sprach nicht nur mit ihrer Spannung an, sondern berührte auch emotional tief. In der Zugabe mit Haydns langsamem Satz aus op. 1/1 sollte dieser Zugriff für Superlative sorgen - dank deutlich gesteigerter Konzentration und Hingabe.

Zwischenzeitlich war auch eine Menge passiert. Vor allem hatte Schostakowitschs Streichquartett Es-Dur op. 117 für eine neue Perspektive gesorgt. Das ist wohl der Stoff, für den sich die vier jungen Musiker besonders begeistern können. Vor allem wenn jiddisch anmutende, scharf rhythmisierte Tanzthemen von folkloristischer Derbheit zu spielen waren, riss das Ensemble ordentlich in den Taumel mit. Aber auch die Klangwolken in den bisweilen sehr düsteren harmonischen Metamorphosen überzeugten mit einem reizvollen Kontrast zu den in gedämpfter Atmosphäre darüber versponnenen melodischen Linien.

Der ausgedehnte und reichhaltige Finalsatz mit seiner leidenschaftlichen Wucht und einem wilden Ritt in der Schluss-Stretta erzeugte eine nachhaltige Wirkung, die sich auf die Interpretation des Streichquartetts C-Dur op. 59/3 von Beethoven auswirkte, beziehungsweise Beethoven als Vordenker der Moderne offenbarte. Stand bei Schostakowitsch ein mysteriöses Vorspiel am Anfang, bot Beethoven ein mit Impulsen durchsetztes Sinnieren, bevor es mit entfesselter Spielfreude weiter ging. Die Wendungen im Kontrastprogramm waren bei Beethoven natürlich zurückhaltender ausgeprägt, doch von großer Wirkung. Am Ende sorgte ein kraftvolles Wirbeln mit Spielfreude für einen bleibenden Eindruck, der auch einen lang anhaltenden, begeisterten Applaus des Publikums auslöste.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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