Wörthsee:Trio zu zweit

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Musik voller Kontraste: Lucas Campara Diniz und Vivi Vassileva bei ihrem Auftritt in der Steinebacher Schule. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Marimba- und Vibraphonspielerin Vivi Vassileva und Gitarrist Lucas Campara Diniz müssen bei ihrem Gastspiel in Wörthsee ohne die angekündigte Pianistin Carina Madsius auskommen

Von Reinhard Palmer, Wörthsee

Die Umstände des Konzerts hätten kaum kurioser sein können. Ein Trio mit der Pianistin Carina Madsius war angekündigt, der Flügel stand auch frisch gestimmt parat. Doch Madsius keine Spur. Man habe sie wieder ausgeladen, berichtete ihr Agent; er wisse nicht, warum sie nicht komme, staunte der Veranstalter. Kurzum: Wer auch immer es verpatzt hatte, um das gedruckte Programm aufzuführen, fehlte schlicht die Pianistin.

Es war also an der Schlagwerkerin Vivi Vassileva, den Abend in der Reihe der Kammerkonzerte Wörthsee in der Aula der Steinebacher Schule zu retten. Die 24-jährige, bulgarischstämmige und in Hof geborene Musikerin kann aber in Sachen Repertoire offenbar aus dem Vollen schöpfen. Sie hatte sogleich einige Raritäten mehr parat, zumal sie instrumental ihren Part vor allem auf Marimba und Vibraphon ausgerichtet hatte. Den meisten Konzertbesuchern waren wohl lediglich Bachs Menuette aus der Cellosuite BWV 1007 bekannt, wenn sie auch auf dem plastisch modellierten Marimba einer Neuentdeckung nahe kamen.

Ansonsten blieb die leichtfüßige und charmante Schlagwerkerin im Repertoire vorwiegend in der - nicht gerade avantgardistischen - Gegenwart und knüpfte an diverse Traditionen je nach Herkunft der Komponisten an. Sie verschwand auch schon mal von der Bildfläche, um auf dem Boden sitzend mit geradezu ritueller Inbrunst Klaus-Hinrich Stahmers "Erinnerungen an einen Holzsammler" auf einer Rahmentrommel mit den Händen zu zelebrieren und Gedichte des Libanesen Fuad Rifka in Originalsprache einzuflechten.

Man verstand zwar nichts, doch zeigte der Zauber der fremdartigen Sprache seine musikalische Wirkung. Beim Katalanen Oriol Cruixent kam im "Marimba Moksha" gar Südsee-Vergnüglichkeit auf, von einem unterschwelligen Groove mit Leichtigkeit vorangetrieben. Ähnlich auch beim Argentinier Guillo Espel, dessen "Samba para escuchar su silencio" ebenso schönmelodische Spielfreude versprühte. Dieses Stück gehörte schon zu den Werken, mit denen sich Vassileva als bravouröse Virtuosin präsentierte. So auch mit "Kleine Toccata" von Peter Guys, von der brillant gesetzten Violinstimme auf Marimba übertragen: reinstes Perpetuum mobile, rasant vorantreibend in dichter Textur.

Vassileva scheute sich aber auch nicht, lediglich mit einer kleinen Trommeln und diversen Schlägeln und Besen ausgestattet die Zuhörer in die Welt des rein Geräuschhaften zu entführen. Komponiert hatte "Asventuras" ihr Kollege Alexej Gerassimez, wohl zu dem Zweck, mit Geschicklichkeit und technischer Perfektion Staunen auszulösen, was Vassileva auch zweifelsohne gelang.

Nach der Pause dann doch Ensemblespiel. Der brasilianische Gitarrist Lucas Campara Diniz war weder ausgeladen noch aus sonstigen Gründen abwesend. Nach einem erfolgreichen Karrierestart als Konzertgitarrist, gekrönt von Wettbewerbspreisen, ist Campara heute in der Obhut von Franz Halász an der Münchner Musikhochschule. Um dem schlanken, bisweilen filigranen Gitarrenspiel die Chance zu lassen, gehört zu werden, stieg Vassileva aufs Vibraphon um, was klanglich auch einen sehr reizvollen Mix ergab. "Bate Coxa" des Brasilianers Marco Pereira stimmte zunächst mit seiner flotten, tänzerischen Ausgelassenheit auf ein lebens- und sinnenfreudiges Musizieren ein. "El Parío en cuarto" von Ferran Cruixent suchte ein zauberhaftes Klangbild. Doch was kinderliedhaft begann, entwickelte bald schmissiges Temperament.

Kulminieren sollte der Abend in "Las cuatro estaciones porteñas" von Astor Piazzolla, arrangiert von den beiden Interpreten, mit einem Feuerwerk detailfreudiger Konstellationen zwischen Gitarre und Vibraphon. Hier konnten die beiden präzise und homogen gestaltenden Musiker aus dem Vollen schöpfen und die klangmalerisch erzählten Ereignisse mit großer Sorgfalt und Musikalität kontrastreich inszenieren.

Mit temperamentvoller Rhythmik begann der Sommer, nostalgisch und wehmütig sang der Herbst, geradezu mysteriös entfachte der Winter seinen Zauber, bis der Sommer zwischen Sentimentalität und verhaltener Freude einen rhythmischen Schlusspunkt setzte. Das Publikum zeigte sich nachhaltig begeistert und bekam eine Zugabe.

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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