Wörthsee:Klangsattes Musizieren

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Begeisterte das Publikum im katholischen Pfarrsaal in Wörthsee: der Cellist Wen-Sinn Yang. (Foto: Arlet Ulfers)

Wen-Sinn Yang zeigt in Wörthsee die hohe Schule des Violoncello-Spiels

Von Reinhard Palmer, Wörthsee

Die Kammerkonzerte Wörthsee im Pfarrsaal schwächeln schon seit einigen Jahren, was die Besucherzahlen betrifft. Und wenn selbst der großartige Cellist Wen-Sinn Yang dem Besucherschwund nicht entgegenzuwirken vermag, bleibt eine gewisse Ratlosigkeit zurück. Schade, ist doch diese Gegend nicht gerade von Kulturveranstaltern gesegnet. Das soll aber nicht heißen, dass bei dem Soloabend keine gute Atmosphäre aufgekommen wäre. Im Gegenteil: Bisweilen war hier auch Euphorie lautstark zu vernehmen. Und das lag unmittelbar an der Spielweise des Cellisten, kennzeichnet seinen Zugriff doch lustvolles, klangsattes Musizieren mit Verve und hingebungsvoller Leidenschaft. Yangs Vorsatz ist offenbar, selbst den letzten Konzertmuffel im Sturm zu erobern. Das war ihm vor allem mit den Werken der komponierenden Cellisten des 19. und 20. Jahrhunderts zweifellos gelungen. Wie Paganini, hatten diese Meister vor allem dafür komponiert, ihre eigene Virtuosität optimal in Szene setzen zu können. "Aus Demut, mich dieser Aufgabe zu stellen", habe er eine Auswahl von Fünf Etüden aus "Hohe Schule des Violoncellospiels" op. 73 des Prager Virtuosen, der für die ungarische Celloschule von großer Bedeutung sein sollte, David Popper (1843 - 1913), aufs Programm gesetzt, so Yang. Dass sie "sehr gesund" seien, lag vor allem an der Fingerakrobatik, bei der selbst er ins Schwitzen kam. Diese Nummer geriet zu einer sportlichen Angelegenheit, bei der Yang allerdings die Vielfalt in der Differenzierung des Cellospiels mit Bravour demonstrieren konnte. Aber selbst hierbei war er kein mechanischer Reproduzierer und formte die Übungsstücke mit Ausdruck und fein abgestimmter Dynamik.

Die Suite des Katalanen Gaspar Cassadó (1897 - 1966) im iberischen Kolorit gab Yang indes nicht nur die Gelegenheit, temperamentvoll-schmissiges Spiel auszukosten, sondern auch mit musikantischer Verve für satte Klanglichkeit zu sorgen. Das Ganze aber sorgsam einer schlüssigen Dramaturgie unterzogen. Und Genau dies ist auch die große Stärker des Grammy ausgezeichneten Musikers: Die klare, entschieden exponierte Linie, an der die Zuhörer geführt werden und vom ersten bis zum letzten Ton in Spannung gehalten werden. Das ist in den Suiten ein besonderer Aspekt, muss doch die jeweilige Reihe der Tänze auch noch unter den einzelnen Sätzen ein stimmiges Ganzes ergeben. Bachs sinnenfreudige Suite Nr. 3 C-Dur, BWV 1009, stand daher wohl nicht zufällig an erster Stelle des Programms, galten Bachs Suiten hier und historisch in gewisser Weise als Maßstab für alles Nachfolgende.

Yang griff lustvoll in das bisweilen elektrisierend dichte Geflecht, aber auch überaus einfühlsam bei den Rücknahmen, die etwa im "Menuet I" durchaus auch vergnügte Leichtigkeit zu offenbaren vermochten. Und selbst wenn Max Reger in seinen Suiten für Violoncello allein op. 131 - hier daraus Nr. 3 a-Moll - durchaus packende Musik zu kreieren verstand: Bachs Kraft und Energie ist kaum zu überbieten. Doch Reger war zweifelsohne kein zaghafter Komponist. Seine Suiten greifen tief in die Vielfalt der spieltechnischen Möglichkeiten und fanden in Yang einen resoluten Interpreten. Auch wenn sich Reger an Bach orientiert hatte, ist seine Suite freier gestaltet und bietet viel Spielraum für musikalische Charakterisierung, den Yang auch großzügig nutzte. In gewohnter Klarheit und Treffsicherheit der jeweiligen Ausprägung. Das straffe, spritzig-bravouröse Scherzo kontrastierte er mit einem melancholischen Moll-Trio. Noch deutlicher wurden die Charakterwechsel im Variationssatz zum Schluss, wo das Spektrum von lyrischem Sinnieren über brillante Virtuosität bis zur mysteriös verschatteten Melancholie reichte. Frenetischer Schlussapplaus.

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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