Wirtschaftspreis des Landkreises:Von Tutzing aus Meetings in den USA lenken

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Die Firma Succevo hat sich in der Krise neu erfunden. Statt Konferenzen zu organisieren, lädt sie zu virtuellen Messen ein

Von Jessica Schober, Tutzing

Der Messegast betritt die Halle, im Fahrstuhl fährt er in den zweiten Stock, geht in den Vortragssaal und wählt aus, welchen Live-Stream er anschauen möchte. Alles online. Auf die Messe der Zukunft kann man mit dem Handy, dem Laptop oder vom heimischen Fernseher aus gehen. Denn Veranstaltungen werden in Zukunft eben ganz anders ablaufen als noch vor Corona. Und weil es bei so einer virtuellen Messe eben doch einen Unterschied macht, ob die Besucher in einen virtuellen Fahrstuhl steigen oder nicht, hat die Firma Succevo mit Sitz in Tutzing ihr Geschäftsmodell komplett umgestellt auf 3D-Veranstaltungswelten. Nun ist sie für den Starnberger Wirtschaftspreis nominiert.

Früher war Succevos Produkt namens Meetingbox dazu da, um das ganze Drumherum einer Großveranstaltung zu managen: Besucher registrieren, Kosten abrechnen, Messestände koordinieren, all das konnte man mit Meetingbox machen. Bis es im Frühjahr plötzlich überhaupt keine Veranstaltungen mehr zu managen gab. "Unser ganzes Geschäftsmodell hing von Live-Events ab - und im Februar war plötzlich alles kaputt", sagt der Geschäftsführer Mark Pearson. Vor zwei Jahren hatte der Brite die Geschäftsführung übernommen, nachdem er zuvor 30 Jahre in der Unternehmensberatung Accenture gearbeitet hatte. Vor zehn Jahren wurde Succevo von der Eventagentur Team Seefried gegründet. Jetzt standen die 50 Mitarbeiter vor der Frage, wie es weitergehen soll mit Succevo. 14 Leute beschäftigt die Firma in Tutzing, 30 Entwickler sitzen in Sofia, außerdem gibt es einen Standort in Bangalore und einen in Dubai, weil die Fluglinie Emirates zu den Kunden gehört.

Auf den virtuellen Konferenzen der Firma Succevo gibt esfast alles, was auch zurealen Treffen gehört, wie ein gemeinsames Mittagsessen, das aber an die Haustür geliefert wird. (Foto: Succevo)

Als Succevos Kunden dämmerte, dass sie auch in nächster Zukunft keine Konferenzen mehr planen werden, kündigten immer mehr ihre Lizenzverträge mit Jahreslaufzeit für die Meetingbox-Software. Pearson sagte: "Das war der größte Umbruch für uns. Wir haben uns hingesetzt und überlegt, wie es weitergehen soll." Innerhalb kürzester Zeit haben er und seine Mitarbeiter nun eine Software für virtuelle Events auf der bestehenden Kernplattform aufgebaut. Die Produktentwicklung sei wahnsinnig schnell gegangen, einfach weil es notwendig war. "Wir haben das im März konzipiert, dann den ersten klickbaren Prototypen erstellt und schon im Juli unser erstes Online-Event veranstaltet." Zu den Kunden gehören Ikea oder Procter & Gamble, die für ein Onlinemeeting der Manager ihrer Marke Pampers gleich eine ganze virtuelle Babywelt designen ließen.

Wer zuletzt mal wieder gähnend bei einer Zoom-Konferenz saß und irgendwann die eigene Kamera ausschaltete, um sich zwischendurch etwas zu Essen zu kochen, der ahnt vielleicht: Die schöne neue Online-Welt hat auch ihre Tücken. Seitdem die Corona-Pandemie das Gros der Büroarbeiter weitgehend ins Home-Office verbannt hat, nimmt die Anzahl an Webformaten rasant zu. Doch warum sollten dann Menschen auch noch zusätzlich Zeit in einer neuartigen Online-Messe verbringen? Pearson fragt sich auch: "Was kann man machen, damit die Leute nicht nebenbei ihre Mails checken?" Eine seiner Ideen: Zum Beispiel alle Teilnehmenden zu einer gemeinsamen Mittagspause in einem Chatroom versammeln und dann an deren physische Haustüren ein Essen zum gleichen Zeitpunkt liefern lassen. Oder wie zuletzt für einen schwedischen Kunden aus der Tourismusbranche umgesetzt: Eine virtuelle Midsommar-Party mit einem zehnminütigen Live-Cocktail-Mix-Wettbewerb für die Mitarbeitenden im Home-Office veranstalten. "Manche Leute finden, es ist Spielerei, wenn Online-Besucher erst in einen Fahrstuhl steigen müssen, aber für andere Kunden fördert genau so etwas das Engagement, also die Möglichkeit des Mitmachens und des direkten Erlebens. Was wir anbieten, ist in jedem Fall etwas anderes als ein statisches Webinar", sagt Pearson.

CEO Mark Pearson stellt jetzt neue Leute ein. (Foto: Nila Thiel)

Mit diesem Angebot trifft Succevo offenbar einen Nerv. "Wir stellen gerade neue Mitarbeiter ein, denn wir sind von der globalen Nachfrage total überfordert." Gesucht seien jetzt Leute, die beides verstehen: Die Eventbranche und die Technologie für Onlinekonferenzen. 50 Prozent von Succevos Kunden kommen aus den USA, zum Beispiel gehörte jüngst die United Health Care Group dazu. Von 19 Uhr abends bis weit nach Mitternacht betreuten Succevos Mitarbeiter den virtuellen Live-Desk eines Meetings auf der anderen Seite des Atlantiks. "Wir begleiten von Tutzing aus Live-Events auf der ganzen Welt, was bedeutet, dass wir alle manchmal wenig Schlaf bekommen", sagt der 58-jährige Pearson, der mit seiner Familie in Feldafing lebt.

Den allergrößten Teil seiner Umsätze hat Succevo in der Krise verloren. Mit den virtuellen Veranstaltungen wollen sich Pearson und sein Team einen Teil der Verluste zurück holen. Genaue Zahlen nennt das Unternehmen als einziger der elf Nominierten für den Wirtschaftspreis nicht.

Die Jury begründet die Auswahl des Unternehmens so: "Die Geschäftsführung hat sehr schnell erkannt, das sie die Firma neu definieren muss und hat sie weltweit als einer der führenden Anbieter von virtuellen 3D-Veranstaltungswelten etabliert", teilt Annette von Nordeck von der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg mit. "Die Geschwindigkeit, die Professionalität, der Wille zum Erfolg und die Akzeptanz durch die Kunden hat uns überzeugt."

© SZ vom 30.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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