Wir öffnen Türen:Die heiligen Schwestern von Sankt Alto

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Die Kirche von Leutstetten ist meist geschlossen, aber etwas Besonderes. Denn sie spannt einen Bogen in die Glaubensvorstellungen vorchristlicher Zeit

Von Astrid Becker, Leutstetten

Sie ist etwas ganz Besonderes, die kleine Kirche St. Alto in Leutstetten, - und das keineswegs, weil sie nicht, wie zu erwarten wäre, zur Pfarrei Starnberg gehört, sondern zu Gauting. Es ist vielmehr das Innenleben dieses sakralen Baus, das sich nur zu Gottesdienstzeiten offenbart. Denn dieses spannt einen Bogen vom Christentum in vorchristliche Glaubensvorstellungen, die auch in die Sagenwelt der Region ihren Eingang fanden.

Ganz abgesehen von den zwei recht wertvollen Altären in dem kleinen Gotteshaus erregt vor allem ein Bild die Aufmerksamkeit. Es hängt unter der Westempore an der südlichen Wand und zeigt die drei heiligen Jungfrauen Ainpet, Gberpet und Firpet - deren Ursprung aber weit in die vorchristliche Zeit zurückreicht. Denn die Drei werden in der Literatur immer wieder mit den drei Bethen in Verbindung gebracht, die sich wiederum bis auf drei keltische Göttinnen, auf die "Matronen", zurückverfolgen lassen. Bei den Griechen hießen diese Damen Moiren, bei den Germanen Nornen und bei den Römern "Parzen". Sie alle sind für das Schicksal verantwortlich, werden aber auch immer als typische Frauengöttinnen beschrieben: So gelten die Drei in jedem Fall als Geburtshelferinnen, Fruchtbarkeitsgöttinnen und als Beschützerinnen der Familien.

Die drei heiligen Jungfrauen zeigt ein Gemälde in St. Alto. (Foto: Georgine Treybal)

Und sie sind eng mit der Heiligen Nacht am 24. Dezember verbunden - denn dieses Datum galt schon längst vor Christi Geburt als die "Nacht der Mütter." Schon der Kirchenhistoriker Beda Venerabilis berichtet um 700 von der germanisch-heidnischen "modraniht". In dieser Nacht, also am 24. Dezember, deckten viele Frauen damals den Tisch für die drei Schwestern mit Speisen und Getränken, damit diese in Zukunft nur Gutes bringen. Interessanterweise entwickelten frühe Christen und Missionare eine ganz eigene Strategie, um diesem Aberglauben zu entgegenzutreten: Sie bauten in der Nähe von Kultstätten Kirchen oder Kapellen, um quasi einen eigenen Heiligenkult zu etablieren.

Möglicherweise war dies auch in Leutstetten so. Denn die drei Heiligen auf dem Bild in St. Alto gelten als Patroninnen der längst nicht mehr bestehenden "Einbettlkapelle". Die drei reichen und heiligen Schwestern Ainpet, Firpet und Gberpet - deren Namen in der Literatur dazu immer wieder unterschiedlich geschrieben werden - sollen aus dem Westen eingewandert sein und sich drei Zellen gebaut haben. Jede von ihnen lebte dort für sich. Ihre Beschäftigung war es, sich mit der Lehre Christi zu befassen, sie zu verfestigen und sich der Krankenpflege im benachbarten Bad hinzugeben. Während der Hunnenkriege sollen sie misshandelt worden sein, ihre Habe der Kirche vermacht und die Stätte für immer verlassen haben. Die Kapelle soll das fromme Volk zu ihrem Gedenken erbaut haben.

Die Leutstettener Kirche Sankt Alto ist klein, und doch beherbergt sie zwei wertvolle Altäre. (Foto: Georgine Treybal)

Die Kapelle gibt es nicht mehr, wohl aber das Bildnis der Drei in St. Alto. Auch hier ist bemerkenswert, dass dieses Kirchlein lange Zeit als Wallfahrtsort gedient hatte. Wohl auch, um hier für Kindersegen zu bitten. Die drei heiligen Jungfrauen haben übrigens in der Gegend ihre nichtchristliche Entsprechung in drei Schlossfräulein, die der Sage nach in der Burg auf dem Karlsberg gelebt haben sollen. Verzaubert und erlösungsbedürftig werden sie dargestellt, die beispielsweise einem Mühlknecht immer wieder erschienen sein sollen. In der heiligen Nacht, so heißt es , soll man Lichter auf dem Berg gesehen und den Gesang der Drei vernommen haben. Von einem Schatz als Belohnung für die Erlösung der Drei ist immer wieder die Rede - allerdings sowohl Schatzgräber als auch der Mühlknecht ließen sich von dem Spuk schrecken.

Einen Wallfahrtsort, zumindest aus esoterischer Sicht, gibt es in Leutstetten übrigens immer noch: die Bethenquelle ganz in der Nähe der Kirche. Seit gut zwei Jahrzehnten wird sie als eine Art neuheidnisches Lourdes verehrt. Viele Menschen aus der Umgebung oder sogar aus München kommen hierher, füllen sich Wasser ab, trinken aus der Quelle und hängen bunte Bänder und kleine Opfergaben in die Büsche und Bäume, die dort stehen. Manchmal finden sich auch brennende Kerzen, Blumen und Speiseopfer an der Quelle. Das Wasser, so heißt es, soll für die Augen und das Gedächtnis gut sein und die Lebenskraft stärken. Als christliche Nachfolgerinnen der dort verehrten Drei Bethen gelten Ainpet, Gberpet und Firpet, also die drei heiligen Jungfrauen von St. Alto.

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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