Wiedereinführung:Mein Freund, der Baum

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Die CSU entdeckt ihr grünes Herz: Die 2015 aufgehobene Baumschutzverordnung soll reaktiviert werden, um das Stadtbild zu verschönern und den Klimaschutz zu verbessern

Von Peter Haacke, Starnberg

Nur wenige Entscheidungen des Starnberger Stadtrates waren so umstritten wie 2015 die Aufhebung der Baumschutzverordnung: Entgegen der ausdrücklichen Empfehlung der Verwaltung hatte eine knappe Mehrheit aus WPS, BMS, FDP und BLS die 1992 erlassene Verordnung gestrichen und die Kettensäge somit quasi zum legitimen Instrument des freien Bürgerwillens im eigenen Garten erkoren. Mehrfach gab es seither Versuche, den Baumschutz in Starnberg wieder zu verankern, zuletzt waren die Grünen 2019 gescheitert. Nun versucht es die CSU erneut: Der Bauausschuss befasste sich am Dienstag ein weiteres Mal mit der Wiedervereinführung der umstrittenen Verordnung, die nicht allein dem Klimaschutz, sondern auch der Verschönerung des Stadtbildes dienen soll.

Die Stadt hatte die Baumschutzverordnung 1992 aus guten Gründen eingeführt. Neben einer Sicherstellung des Naturhaushaltes, einer Verbesserung der Luftqualität oder dem Erhalt des Lebensraumes von Tieren sollte insbesondere dem Kahlschlag grüner städtischer Oasen Einhalt geboten werden. Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre herrschte nämlich Goldgräberstimmung in der Kreisstadt: Immobilienmakler entdeckten viele freie Grundstücke in unberührter Natur und räumten ab. Großflächig wurde gerodet, um Platz für Eigenheime mit Seeblick zu schaffen. Selbst hundertjährige Bäume fielen der Kettensäge zum Opfer, bis es den Starnbergern zu viel wurde: Eine Baumschutzverordnung sollte das Schlimmste verhindern, insbesondere ältere Bäume mit einem Stammumfang von mehr als einem Meter genossen fortan Schutz. Zwar konnte auch weiterhin gefällt werden: Im Jahr 2014 etwa wurden von 374 beantragten Baumfällungen 339 - also rund 90 Prozent - genehmigt. Aber aus fachlicher Sicht galt die Verordnung trotz des bürokratischen Aufwands als Erfolg.

Das Echo auf die Aufhebung der Baumschutzverordnung fiel zwiespältig aus - die Entscheidung ist bis heute umstritten. Naturschützer waren entsetzt und kritisierten den Beschluss aufs Schärfste. Mancher Grundstückseigner aber war heilfroh, wieder die Entscheidungshoheit über Bäume auf eigenem Grund und Boden zu haben.

Wie emotional das Thema Baumschutz in Starnberg besetzt ist, zeigte sich unlängst, als in der Ludwigstraße die Fällung einer gut hundertjährigen Buche angekündigt wurde. Im Nachhinein zeigte sich zwar, dass sie vom Brandkrustenpilz befallen war und ohnehin keine allzu lange Lebensdauer mehr gehabt hätte. Doch das Signal aus der Bürgerschaft war unübersehbar. Einen Sturm der Entrüstung bei den Anwohnern löste auch die damalige Bürgermeisterin Eva John (BMS) 2016 aus, die in der Nähe ihres Wohnsitzes einen unsachgemäß angelegten Weg durch ein bis dato unberührtes Waldstück am Hochwald fräsen ließ, der bis heute Folgen für den verbleibenden Baumbestand hat. Wiederholt gab es aber auch Rettungsaktionen couragierter Bürger, die sich gegen geplante Baumfällungen stemmten. Immerhin: Im Jahr 2016 legte die Stadt ein Förderprogramm zu Erhalt und Pflege ortsbildprägender Bäume auf. Maximal vier Bäume pro Grundstück können mit bis zu 1000 Euro pro Baum gefördert werden. Seither zahlte die Stadt rund 81 000 Euro aus, auch für das Jahr 2021 stehen 20 000 Euro im Haushalt zur Verfügung.

Für die Stadtverwaltung ergibt sich nun ein Gedankenspiel mit den Ressourcen. "Aus finanziellen wie personellen Gründen könnte mit Wiedereinführung einer Baumschutzverordnung daran gedacht werden, das Förderprogramm einzustellen", heißt es in der Beschlussvorlage. "Allerdings bringt die etwaige verpflichtende Erhaltung alter Bäume für manchen Eigentümer eine finanziell nur schwer zu bewältigende Herausforderung mit sich." Mit Wiedereinführung der Baumschutzverordnung bei gleichzeitiger Förderung erwartet die Verwaltung drei Effekte: Die Bürger würden beim Erhalt wertvoller Bäume unterstützt, ältere Bäume könnten erhalten bleiben, noch bevor sie Schutzstatus erlangen, und auf die Stadt kämen weitere personelle wie finanzielle Belastungen zu.

Die Debatte ist eröffnet: In den insgesamt acht Fraktionen sollen zunächst intern Umfang und Inhalte der Neuregelung diskutiert werden, ehe sich der Stadtrat im Juni erneut des Themas annehmen wird. Nach einer ersten Diskussionsrunde im Bauausschuss am Dienstag zeichnete sich allerdings bereits ab, dass sich an den grundsätzlichen Haltungen in den Fraktionen seit 2015 nicht viel geändert hat: BLS, BMS, FDP und WPS dürften weiterhin gegen eine Baumschutzverordnung sein, CSU, Grüne, SPD und UWG eher dafür. Geändert haben sich jedoch die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat und möglicherweise auch das ökologische Bewusstsein.

© SZ vom 20.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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