Westtangente:Der Tunnel zu Hadorf

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Die im Bau befindliche Starnberger Westtangente weist eine Besonderheit auf: Im Bereich des Galgenbergs wird ein 79 Meter langer Durchlass errichtet, der eine Grünbrücke für Wildtiere tragen wird

Von Wolfgang Prochaska, Hadorf

Eine Tunnelbau-Maschine hat das Staatliche Bauamt Weilheim nicht einsetzen lassen. So ein Gerät hätte in Starnberg auch bestimmt heftiges Stirnrunzeln ausgelöst. Dennoch müssen sich die Starnberger an den Gedanken gewöhnen, dass es spätestens 2018 auf ihrer Flur einen Tunnel geben wird. Gut, er ist nur 79 Meter lang und ist Teil der Grünbrücke, die gerade für die Westumfahrung im Bereich des Galgenbergs bei Hadorf gebaut wird, aber Tunnel bleibt Tunnel.

Zudem wäre ein Großgerät zum Tunnelbau viel zu teuer gekommen, wie Michael Kordon, Leiter des Staatlichen Bauamts Weilheim, hinweist. Der Bau der Westtangente, die ja die Kreisstadt ein bisschen vom Verkehr entlasten soll, kostet immerhin 13 Millionen Euro. 2,3 Millionen Euro gehen allein für den Bau der großen Grünbrücke drauf. Diese soll als Übergang für die Wildtiere dienen; die Tangente durchschneidet ja nicht nur den Galgenberg, sondern auch die Wildwege. Angesichts der Dimension des Projekts und seiner Wichtigkeit für Starnberg lud die Stadtverwaltung mit dem Staatlichen Bauamt am Donnerstag zu einer Baustellenbesichtigung ein.

Der erste Eindruck ist grandios: Große Traktoren mit doppelachsigen Anhängern fahren - schwer beladen mit Erde - durch die von Baumaschinen durchwühlte Waldlandschaft. Der Galgenberg, so scheint es, ist zum großen Teil zu einem Wanderberg geworden, denn das Erdmaterial, das für den Tunnel und die Grünbrücke abgegraben werden musste, liegt hoch aufgeschüttet wie ein neuer Berg gleich neben der Straße zwischen Söcking und Hadorf. Traktor um Traktor fährt Erdmaterial heran und kippt es auf der Kuppe des Berges ab. 60 000 Kubikmeter Erdreich mussten bewegt werden, rechnet Kordon vor. Es ist praktisch der halbe Galgenberg. Dabei ist man beim Straßenbauamt noch sensibel und zurückhaltend vorgegangen.

Um den eh schon starken Eingriff in die Natur nicht zu vergrößern, hat man für den Tunnel, der einmal die Grünbrücke tragen wird, eine besondere Bautechnik angewandt, die unter Baufachleuten "Berliner Verbau" genannt wird. Dabei treibt man von oben aus Stahlträger senkrecht in die Erde. Diese übernehmen die Aufgabe, das Erdreich am Berg zu stabilisieren. Der Vorteil: Beim Abgraben muss die Hangkante nicht noch tiefer in den Wald des knapp 700 Meter hohen Moränenhügels getrieben werden. Somit lässt sich das Tunnelbauwerk je nach Breite der vorgesehenen Trasse wie ein großes Tortenstück einschneiden, um dann das Material abzutransportieren. Bei der Begehung des künftigen Tunnelbodens kann einem aber schon mulmig werden. Die senkrecht nach oben führenden, mit Holzlatten und Stahlträgern ausgelegten Wände rechts und links sind zwölf Meter hoch. Rechnet man noch die Grünbrücke hinzu, kommt man auf eine 18 Meter hohe Steilwand. Ein Kletterpark kann es nicht besser. Vielmehr dürfte dieser Bauabschnitt den größten Kletterpark südlich von München darstellen - falls man sich sportlich bewegen wollte.

Nun muss an dieser Stelle aber gesagt werden, dass die Natur für Überraschungen immer gut ist - auch beim Straßenbau. So hatte es das vorgefundene Erdmaterial im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Denn je tiefer man grub, um so größer wurden die Steine, die man herausholte. Eines Tages stieß man auf einen wahren Brocken der Eiszeit - einen tonnenschweren Findling, der einst vom Gletscher an dieser Stelle abgelegt wurde. Das riesige Stück war so schwer, dass es zwei Bagger bedurfte, um ihn aus der Baustelle zu schieben. Nun liegt seine gewaltige Masse als "Eyecatcher" (Kordon) am Rand der Großbaustelle. Was mit ihm geschehen soll, weiß auch die Starnberger Bürgermeisterin Eva John noch nicht. In ihren Garten passt er jedenfalls nicht hinein, betonte sie bei der Besichtigung des Trumms. Für die Arbeiter, die für die Holzverschalung zum Abstützen des Hangs zuständig sind, bedeuten die Felsfunde zusätzlichen Aufwand. Wie in alten Zeiten muss mit Schaufel und per Hand das Gestein ausgegraben und durch den Lattenspalt geschoben werden. Ein Felsbrocken war so groß, dass er an Ort und Stelle blieb - "er bildet den besten Halt", heißt es. Im Frühjahr 2017 soll die Grünbrücke und der Tunnel fertig gestellt sein. Amtsleiter Kordon hatte eigentlich Ende dieses Jahres anvisiert, aber diese Einschätzung war zu optimistisch.

Insgesamt entstehen auf der 3,5 Kilometer langen Tangente fünf Brücken. Es ist also viel los zwischen Söcking und Hadorf, der Maschinenpark der Firma Hubert Schmid aus Marktoberdorf im Allgäu ist mit Raupen, Minibaggern, Straßenwalze und Kränen gut ausgelastet. Die Finanzierung der gesamten Westtangente teilen sich die Stadt Starnberg und das Staatliche Bauamt im Prozentsatz von 20 zu 80. Das heißt: 80 Prozent zahlt der Freistaat. Bei der Weßlinger Umfahrung übernimmt er gar 85 Prozent der Kosten. Dass es sich um eine spektakuläre Kulisse handelt, hat auch ein Filmteam entdeckt. Kann sein, dass demnächst hier gedreht wird.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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